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Bilanz 2023 und Jahresmotto 2024

Ich sag, wie’s ist: 2023 war ein Scheißjahr! Jedes Silvester bin ich voller Hoffnung, dass das kommende Jahr besser wird – und dann geht es weiter bergab. Pandemie, Kriege … Dieses Jahr war für mich besonders heftig.

Gefühlt war ich die ganze zweite Jahreshälfte krank, mit nur kurzen Unterbrechungen: Fuß gebrochen, Sommergrippe, Mandelentzündung. Alles zog sich ewig hin. Einen Großteil der Zeit habe ich trotzdem gearbeitet – was will man machen als Selbstständige.

In meinem Umfeld waren bzw. sind auch Leute schwer krank, was mir echt zu schaffen gemacht hat. So viel Zeit wie dieses Jahr habe ich noch nie in Krankenhäusern, Arztpraxen und am fucking Telefon verbracht. Alles nicht vergnügungssteuerpflichtig in einem Gesundheitssystem, das auf dem letzten Loch pfeift. Was ich da erlebt habe, wäre ein eigenes Buch wert. Aber wer will das schon hören? Oft habe ich das Gefühl, dass ich die Einzige bin, die das überhaupt stört: dieser seelenlose, unbarmherzige Umgang mit Kranken. Die meisten fügen sich.

Es gibt pockets im Gesundheitswesen, immerhin das habe ich herausgefunden dieses Jahr. Aus unerfindlichen Gründen gibt es Nischen, wo alles noch so ist wie früher. Wo sich die Ärztin unheimlicherweise richtig viel Zeit nimmt für das Gespräch und wo man im Wartezimmer ganz allein ist – ein Hoch auf professionelles Praxismanagement.

Ganz ehrlich: Ich bin am Rande des dritten Burnouts – diesmal durch private Ereignisse. Der erste Burnout war durch Stress, also durch Zeitdruck und Arbeitsbelastung, hervorgerufen worden. Der zweite war psychischer Natur, durch innere Werte- und Rollenkonflikte ausgelöst. Also, immer mal was Neues.

Natürlich frage ich mich, welchen Anteil ich daran habe. Und ich kenne auch die Antwort: fehlende Selbstfürsorge und Abgrenzung. Immer noch stelle ich die Bedürfnisse anderer über meine eigenen. Offenbar bin ich als Kind darauf trainiert worden. Echt erschreckend, wie tief das sitzt, auch wenn ich Fortschritte gemacht habe. Immer wieder muss ich meinen eigenen space verteidigen und für meine Rechte und Bedürfnisse kämpfen. Dabei habe ich gar keine Kraft dafür.

Mitunter denke ich, der Buddhismus mit seinem ganzen Mitgefühl hat mich so weichgekocht, dass ich Probleme habe, meine Interessen durchzusetzen. 90 % der Zeit bin ich ein konfliktscheues Reh, das einfach seine Ruhe haben will und dann Dinge abnickt, auch wenn ich sie blöd finde. Und hinterher muss ich mit den Konsequenzen leben. Aber Pech gehabt, wer mich auf den anderen 10 % erwischt! 😛

Der Buddha sprach ja von den drei Götterboten: Alter, Krankheit und Tod. Das sind unsere Lehrmeister. Okay okay, aber ganz ehrlich, verpisst Euch, Götterboten! Ich kann eure Fresse nicht mehr sehen, um einen bekannten Politiker zu zitieren. Ich hätte gern wieder etwas von der Leichtigkeit früherer Jahre. Wie ein Freund neulich meinte: „Weißt du noch, wie wir früher gefeiert haben? Irgendwas, irgendwo, mit irgendwelchen Leuten. Völlig sorglos.“ Ja Mann, Sorglosigkeit. Her damit!

Der Einzige hier, der komplett sorglos ist, ist mein kleiner Kater. Teddy hüpft fröhlich durch die Gegend, holt sich, was er braucht (fieps, fieps!) und ist gleichzeitig total easy und nimmt das Leben so, wie es kommt. Bondi hingegen, ein Jahr älter, ist ein Grübler und guckt immer so kritisch. Kommt wohl nach mir. 😀

Kleiner Siamkater lugt hinterm Stamm des Karatzbaums hervor.
Teddy „Was kostet die Welt?“ Krüger
Bondi not amused

 

Zwei Siamkater eng aneinandergekuschelt
Kuschelorgie

Seit Monaten schlafe ich zu wenig und beneide die Katerchen darum, wie sie sich einfach zusammenrollen und ratzen. Völlig sorglos. Ich träume davon, einmal wieder so sorglos zu schlafen.

Meine größte Sorge momentan ist, dass ich eine Heimunterbringung organisieren muss. Die jungen Ärztinnen im Krankenhaus gucken mich an, als wäre ich der Teufel, wenn ich das Thema anspreche. Ja, Ihr seid ja auch 25 und komplett SORGLOS! Ihr habt keine Ahnung, wie es ist, wenn man seit Jahren allein die Verantwortung für einen anderen Menschen auf den Schultern trägt. Das Gefühl, das mir niemand hilft, ist erdrückend.

Aber ich weiß, dass ich auch meinen eigenen Anteil daran habe, weil ich keine Hilfe annehme. Automatisch, ist gar nicht böse gemeint. Aber wenn man immer alles alleine gewuppt hat, dann gewöhnt man sich daran und alles andere findet man irgendwie … komisch.

Immerhin läuft mein Business nach einem besorgniserregenden Tief im Sommer wieder quasi von selbst. Ich wünsche mir, dass es so weitergeht, denn ich hab gar keine Energie, die ich da großartig investieren könnte. Das sieht man auch daran, dass ich gar keine Zeit und Kraft habe, meine neue Website fertigzubauen.

Noch immer bin ich beunruhigt, dass KI mir den Job wegnehmen wird oder, was auch schlimm wäre, die Preise fürs Texten verdirbt. Ich zerbreche mir den Kopf, in welche Richtung ich mich und mein Business weiterentwickeln kann. Momentan laufen die Seminare wieder ganz gut, aber verlassen kann man sich auf nix mehr.

Kriege & Polykrise

Reden wir gar nicht darüber, dass mittlerweile zwei Kriege im Gange sind und eine ethnische Säuberung in Bergkarabach stattfand. In meinem Krisenkommunikationsseminar lehre ich immer „Eine Krise kommt selten allein.“ Ja, das merkt man jetzt. Polykrise ist der Fachbegriff dafür.

Mein Eindruck ist, dass sich eigentlich kaum noch jemand für die Ukraine interessiert. Dabei sterben dort täglich unschuldige Menschen. Das macht mich so wütend. Ich habe mittlerweile einen echten Hass auf Russland – immerhin das Land, in dem ich aufgewachsen bin und mit dem ich viele nostalgische Bilder und Gefühle verbinde. Dabei hatte ich das alles unterschwellig schon immer gespürt: die Brutalität, die Arroganz, dieses Asoziale, Unzivilisierte. Aber ich durfte es nicht zulassen, denn die Russen waren unsere ~Freunde~.

Nach der russischen Invasion am 24.2.22 hat es ungelogen drei Tage gedauert, bis ich es begriffen hatte. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Es ging ganz leicht. Fucking fuck you, Russia! Fahrt zur Hölle, Ihr elenden Mörder! Und nehmt Euer Bolschoi-Theater und Euren Puschkin, den ich immer noch auswendig kann, mit.

Über Aserbaidschan müssen wir gar nicht reden, diesen schlechten joke von einem Land. Aber immerhin ist das Regime dreist genug, um vor den Augen der Weltöffentlichkeit die armenische Enklave Bergkarabach auszuhungern, zu bombardieren und 120.000 Armennier*innen zu vertreiben. Konsequenzen für Diktator Alijew und seinen korrupten Klan: keine. Da kann man wirklich verzweifeln.

Ich mache ab und zu kleine Ausflüge in die Außenpolitik. Mein Vater war ja Außenpolitiker und es ist komisch: Seit seinem Tod ist nicht nur sein Interesse fürs Gärtnern auf mich übergegangen, sondern auch die Außenpolitik. Bei uns wurde am Abendbrottisch über die Lage in Afghanistan diskutiert. „Israel und Palästina“ war für meinen Vater ein Synonym für einen ewigen, unlösbaren Konflikt. „Ach, die zwei, die sind wie Israel und Palästina.“

Ich habe viel darüber nachgedacht, wieso mein Vater diesen Beruf gewählt hat. Man könnte es ja auch so sehen (und viele Menschen sehen es so): Was geht uns Afghanistan an? Oder Russland? Und ich glaube, die Antwort gefunden zu haben. Er hatte sich etwas ausgesucht, was so weit wie möglich weg von den eigenen Problemen ist. Wir haben eigentlich nie über unsere Familie oder unsere Gefühle gesprochen, sondern immer nur über Arafat oder Ceaucescu (der war damals noch a thing). Bis heute irritiert es mich, wenn Leute die ganze Zeit über sich und ihre kleine Welt reden. Hey, was ist mit Afghanistan?!

Jedenfalls habe ich meinen Beitrag dazu geleistet, dass Armenien und Bergkarabach im EU-Wahlprogramm der Grünen so ausführlich wie noch nie behandelt wurden. Es war wieder mal ein Kampf, kann ich nur sagen. Warum es so schwierig ist, weiß ich nicht. Ignoranz, Rassismus, Korruption? Ich bin trotzdem stolz, dass ich das (diesmal zusammen mit engagierten Mitstreiter*innen) geschafft habe. Aber es ist mega kräftezehrend. Wäre ich in der Politik, wäre ich längst Alkoholikerin oder auf Droge.

Apropos Israel und Palästina: Ich war ja in Israel, vor ein paar Jahren. Und als jemand, die in einer zutiefst antisemitischen Familie großgeworden ist (ein Text dazu schlummert in meinem Giftschrank), schlägt mein Herz ganz klar für Israel. Ganz klar? Auch ich kämpfe mit meinen unbewussten Antisemitismen: Nehmen sie sich nicht zu wichtig, diese Israelis? Aber dann sehe ich Reportagen über das Massaker beim Nova Festival und es bricht mir das Herz.

Natürlich lässt mich auch Gaza nicht kalt. Ich will überhaupt nicht, dass Menschen irgendwo sterben. Keine Palästinenser*innen, keine Jüd*innen. Nicht mal diese hirngewaschenen Russen. Mit dem arabischen Freund habe ich über den Nahostkonflikt diskutiert. Es war eine sehr respektvolle Diskussion. Am Ende habe ich ihn gefragt: „Wenn du Israel wärst, was würdest DU tun? Was würdest du TUN?!“

Was gut war

Tja, was war gut in 2023? Nicht so viel, ehrlich gesagt. Ein kurzer Urlaub am Gardasee, bei dem ich mal wieder die Wärme Italiens tanken durfte. Es war das erste und einzige Mal, dass ich schwimmen war in diesem Sommer. (Remember, der gebrochene Fuß.) Immerhin im Gardasee.

Mein Weinkurs an der Volkshochschule, den ich nun schon zum zweiten Mal belegt habe. Irgendwie bin ich immer noch verwirrt, denn mit der Weinbereitung ist es wie mit vielen Methoden: Die einen sagen so, die anderen so. Ich muss wohl noch mehr eigene Erfahrungen sammeln. Nachdem ich meinen Wein letztes Jahr im Keller vergessen hatte (bzw. mich nicht getraut hatte, ihn zu probieren), war Essig daraus geworden. Alles Essig! Symbolisch für 2023. 😀

Dieses Jahr hoffe ich, einiges richtig gemacht zu haben und bin gespannt auf das Ergebnis. Das mag ich ja so am Wein, dass man eigentlich nicht genau weiß, was am Ende rauskommt. Mir macht aber auch der Prozess, also die Lese, das Entrappen und Pressen, viel mehr Spaß als das Trinken. Aus der Hälfte der Weinernte mache ich immer einen dunkelvioletten Traubensaft, der – in aller Bescheidenheit – preisverdächtig sein dürfte. Jedenfalls habe ich noch nie so etwas Leckeres getrunken. 🙂

Ich würde sehr gern, wenn meine Zeit es erlaubt, im neuen Jahr mal bei richtigen Winzer*innen bei der Ernte helfen. Für Leute, die in Weingebieten aufgewachsen sind, klingt das vermutlich total pervers, weil sie als Kinder dazu genötigt wurden. Aber für mich als Stadtkind ist das ein Traum. Ich kann stundenlang Wein lesen, das ist wie Meditation für mich.

Außerdem habe ich angefangen, weniger Geld auszugeben und mehr zu sparen. Für mich als Löwin ist das schwer. Auch wenn ich mich nicht als verschwenderisch bezeichnen würde, kaufe ich öfters spontan Zeug, das dann im Keller oder Schuppen herumliegt. Das ist nicht nur unökologisch, sondern damit mache ich nur andere reich. Ich will aber mich selbst reich machen. 😉 Im Ernst: Mir ist einfach aufgefallen, dass andere Menschen ihr Geld besser zusammenhalten und investieren. Abgesehen davon, dass sie erben wie Hulle. Langsam muss ich mich etwas ernsthafter damit beschäftigen – man wird ja auch nicht jünger, wa.

Verborgene Leidenschaften

Zwei heimliche Leidenschaften haben sich in diesem Jahr Bahn gebrochen: Die erste ist Podcasts. Ja, ich weiß, late to the party. Es gab mehrere Gründe, warum ich anfangs nicht in den Podcast-Hype eingestiegen bin. Erstens, zu viele Männer. Irgendwelche dudes, die mir die Welt erklären – das hatte ich mein Leben lang. Da habe ich keinen Bock drauf.

Zweitens, zu viel Dumpfgelaber. Habe dann aber Expert*innen-Podcasts entdeckt wie Sicherheitshalber und den ZEIT Ostcast (Achtung, Außenpolitik!), aber auch das Denkangebot. Überall sind Frauen dabei – und ja, das macht einen Riesenunterschied. Neulich habe ich meinem Idol Juan Moreno, der beim SPIEGEL den sehr hörenswerten Podcast Moreno+1 hat, sogar geschrieben, er soll doch mal mehr Frauen ins Studio holen. Vielleicht auch ausschließlich Frauen, so als ausgleichende Gerechtigkeit. „Moreno+Frau“. Mal sehen, ob er das hinkriegt. 😉

Drittens dachte ich immer, ich sei kein auditiver Mensch. Ich lasse mich auch wirklich leicht ablenken und muss öfters zurückspulen. Außerdem stören mich Geknister oder schlechte Mikros, die die Zischlaute oder Plosiv-Laute explodieren lassen, extrem. Ordentliche Mikros sind nicht so teuer, Leute! Aber egal. Da ich momentan sehr oft sehr lange unterwegs bin, habe ich meine Liebe für Podcasts entdeckt.

Ganz gut damit kompatibel ist meine Leidenschaft für True Crime, die eigentlich latent schon immer da war, aber nie so richtig Raum bekommen hat. Mich interessieren die ungelösten Fälle, einige sind schon Jahrzehnte alt. Ich glaube, „Unsolved Mysteries“ auf Netflix hat da was getriggert. Jedenfalls lese ich gern Polizeiakten und forensische Gutachten – wer hätte das gedacht. Und höre True Crime-Podcasts. Verrückt.

Das Psychologie-Studium schleppt sich so dahin, aber peu à peu lege ich Prüfungen ab und habe nun auch – durch einen großen Zufall – endlich einen Praktikumsplatz gefunden. Ich war ja schon kurz davor hinzuschmeißen. Aber es geht weiter. Ich überlege sogar schon, ob ich danach noch ein Jurastudium draufsetzen soll. Neiiiiiiiin! 😀

Apropos: Meine seltsame Affinität zu Jura darf sich jetzt ausleben. Dem Traum, ehrenamtliche Richterin zu werden, bin ich einen Schritt näher gekommen. Ich wurde als Ersatzschöffin gewählt – keine Ahnung, wie das genau laufen wird. Eigentlich kommt es auch etwas zur Unzeit, weil ich wie gesagt kurz vorm Burnout bin. Aber egal. Meine erste Hauptverhandlung wird bestimmt der Knaller.

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Motto für 2024

Angesichts der ganzen schwierigen Themen, mit denen ich mich im letzten Jahr herumschlagen musste (und immer noch herumschlagen muss), habe ich mir ein Motto vorgenommen, dass Euch jetzt wahrscheinlich vom Hocker haut. Voll billig, aber das ist mein Motto für 2024: Mehr Spaß! Irgendwo muss ich den Humor hernehmen, über all das lachen zu können. Ich will nicht als miesepetrige Alte enden, die immer nur lamentiert.

Vor Weihnachten war ich auf dem alten Ostberliner Weihnachtsmarkt, der vor einigen Jahren vom Alex nach Lichtenberg verbannt wurde – zwischen Hochhausghetto, IKEA und vietnamesisches Handelszentrum. Das ist der einzige Weihnachtsmarkt, wo man noch Karussel fahren kann. Und das habe ich gemacht. Und wie ich da so in der „Flying Mouse“ hin- und hergeschleudert wurde, völlig hilflos, immer wieder von der Fliehkraft gegen den Freund gepresst, der leise stöhnte, lachte ich mich halbtot. Ich hab so viel gelacht wie schon lange nicht mehr. Das hat so gut getan.

Euch ein gesundes Jahr 2024!

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4 Kommentare

  1. Danke liebe Lydia für’s Teilen! Als jemand, der täglich selber kämpft, nicht stimmungsmäßig abzuschmieren (der Grübler-Club lässt grüßen), unterdrück ich jetzt mal einfach nicht den Impuls, Dir hier was Abgegriffenes als Antwort reinzuschreiben:

    „Wenn’s nicht tragisch werden soll, müssen wir komisch werden.“ (o.s.ä.)

    Ich wünsche Dir und uns allen ein übelst lachhaftes Jahr 2024! (und notfalls müssen wir halt komplett selbst dafür sorgen… 😬 )

    Ardalan

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