Zum Inhalt springen

Mein Buch: Wenn das Ego leise wimmert

Irgendwann Anfang des Jahres klingelte mein Telefon. Ist es der ersehnte Anruf aus Hollywood? Naja, fast. Ein Literaturagent hat mein Blog entdeckt und findet toll, was ich schreibe und wie. Er will einen Verlag für mein Buch finden. Endlich, denke ich. Ich dränge mich ja ungern auf und werde lieber entdeckt. Hat ja damals bei der ZEIT auch geklappt.

Natürlich bin ich erst mal vorsichtig, google die Agentur und den Agenten. Gibt’s die wirklich? Überlege, ob ich ein paar Twitter-Friends anhaue, die auf der Seite der Agentur aufgelistet sind. Aber naja, wird schon alles seine Richtigkeit haben. Der Agent schickt einen Vertrag. Ich lasse ihn von der Kanzlei meines Vertrauens prüfen – Ergebnis: Passt schon.

Hurra, ich habe einen Agenten. Ein sympathischer älterer Herr. Ich vergesse mitunter, dass ich selber ja nicht mehr die Jüngste bin, aber er ist tatsächlich noch älter als ich. Er will mein Buch (ja, das, an dem ich schon ewig schreibe) Verlagen anbieten. Nur zu! Ich bin motiviert wie schon lange nicht mehr. Endlich ein Lichtblick in meiner ansonsten ruhig dahinfließenden „Karriere“.

Ich erzähle nur wenigen Leuten davon. Schließlich bin ich abergläubisch. Der Agent ist begeistert von meinem Exposé (naja, ich komm ja aus dem Marketing) und schickt eine Zusammenfassung an Verlage. Die sind ebenfalls begeistert. Eine Rekordanzahl von Verlagen interessiere sich für das Exposé, teilt er mir mit. Das gab’s noch nie. Wow! Ist das der Anfang meines längst überfälligen 😉 Aufstiegs zur Bestseller-Autorin?

Toskana, ick komme

In meinen Tagträumen sehe ich mich jedes Jahr locker einen Bestseller raushauen – natürlich von meiner Villa in der Toskana aus, wo ich nebenher noch Wein anbaue und süße Eselchen halte. Wann geht’s los?! Der Agent meldet sich immer wieder mal, er sei dran an der Sache. Vor allem macht er mir gute Laune, indem er mein Fan ist und an mich glaubt. Nicht schlecht, so einen Agenten könnte wohl jede*r gebrauchen.

Wir verabreden uns in Kreuzberg auf ein Schnitzel. Es wird ein lustiger Abend – ich habe mich lange nicht so gut unterhalten. (Was auch daran liegt, dass ich seit der Pandemie nicht mehr so viel ausgehe.) Der Agent ist die Sorte Gentleman, die ab und zu auch mal einen guten Witz raushaut.

Zwischenzeitlich hatte sich ein Verlag gemeldet, aber ich fand, dass er nicht zu mir passt. Er war sehr wirtschafts- und karriereorientiert, also nix für mich. 😉 Der Verlag hat das dann wohl selber erkannt und abgesagt. Sehr gut, mit meiner Business-Allergie wäre ich dort eh falsch gewesen.

Meine Motivation ist immer noch auf einem Allzeithoch. Ich schicke dem Agenten gleich noch ein zweites Exposé. Ganz anderes Thema, würde ich nur unter Pseudonym veröffentlichen. Nur mal so, will seine Meinung hören. Die Hälfte hatte ich ihm eh schon beim Schnitzel erzählt. Er hat Zweifel. Ich schreibe ihm, dass er mir ruhig sagen soll, wenn er es doof findet – ich hänge nicht wirklich an dem Thema.

Wochen vergehen. Ich fahre zur Leipziger Buchmesse, das erste Mal seit der Pandemie. Im Kopf entwerfe ich eine Strategie, welche Bücher nach meinem ersten Bestseller (naja 🙂 ) folgen werden. Die Buchmesse nervt. Es ist super voll, der Geräuschpegel ist hoch, die Luft ist schlecht. Ich habe Kopfschmerzen. Die Literaturbetriebsleute gehen mir auf den Sender, alle total wichtig hier. Ich komme an dem Stand des Verlags vorbei, den ich doof fand und der mich auch abgelehnt hat. Eine ganze Wand voller „Höher, schneller, weiter“-Titel schreit mir ein „Nein“ entgegen. Alles richtig gemacht, gratuliere ich mir. Nach drei Stunden flüchte ich.

Schweigen im Walde

Der Agent lässt nichts von sich hören. Ich hatte ihm das letzte Exemplar meiner beliebten Totschlagargumentebox geschickt – aus der Zeit, als ich selbst noch einen Verlag hatte. Ich frage nach. Der Agent schickt mir eine lange Mail, warum es leider nicht geklappt hat. Die wirtschaftliche Lage der Verlage sei schwierig, sie wollten kein Risiko eingehen mit neuen Autor*innen. Es läge auf keinen Fall an mir, meine Schreibe sei super. Ich lese die Mail fünfmal. Irgendwas stinkt. Als der Verlag abgesagt hatte, meinte der Agent, man wisse ja nie, was der wahre Grund ist. Eben.

Mein Ego wimmert leise. Wird wohl nix mit Bestseller-Autorin. Dabei hatte ich mir extra eine neue schicke Brille machen lassen. Groß und schwarz natürlich. Selbstzweifel melden sich. Bin ich nicht gut genug? Hab ich den Agenten mit irgendwas verschreckt? Die andere Buchidee, das Geschenk? War ich zu nett, zu kritisch, zu anstrengend? Bin ich einfach total unmöglich, sodass niemand was mit mir zu tun haben will? Meine guten alten Bindungsmuster – da sind sie wieder! Ist das Psychologiestudium doch zu was nutze. 😀

Ich verbiete mir, weiter zu grübeln und mich tiefer in dieses Loch reinzugraben. Hab zu viele andere Baustellen gerade. Und wenn ich mir überhaupt bei irgendwas sicher bin, dass ich es gut kann, dann ist es Schreiben. Jetzt mal ganz ohne Ego, es fühlt sich einfach richtig an.

Den Vertrag kündige ich, was soll der Scheiß. Seit ich selbstständig bin, habe ich alles allein gerissen. Vielleicht soll es so sein. Immerhin hab ich jetzt ne neue Brille.

Foto von Anastasia Saldatava auf Unsplash

 

 

 

Bitte folgen Sie mir unauffällig!

Auf Twitter und Facebook.

Ein Kommentar

  1. Brille ist ganz sicher nicht die schlechteste Investition 😀
    Im Moment lese ich bereits das vierte Buch einer Amazon-Selbstveröffentlichung. Bisher hatte ich die immer gemieden, wie der Teufel das Weihwasser, aber zwei davon waren gar nicht mal so übel und im Gegenzug habe ich auch schon den größten Schrott von renommierten Verlagen gelesen. Vielleicht wird Selbstveröffentlichung die Zukunft? Es kann nämlich tatsächlich sein, dass Verlage nur noch abgegriffene Muster verwenden, um (finanzielle) Erfolge zu feiern. Bloß nichts Innovatives! Ist ja nicht ganz unbekannt das Muster: https://youtu.be/sK3PfFnKpmY?si=-4PIjDGYz7ALe_St

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert