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… und es macht ja auch wirtschaftlich Sinn

Immer wenn mir dieser Halbsatz begegnet, werde ich hellhörig. Denn meistens geht es um sowas: „Mitarbeiter gut zu behandeln lohnt sich, denn es macht ja auch wirtschaftlich Sinn.“ Ach, was! Nicht nur, dass Arschloch Sein irgendwie Scheiße ist, scheint es auch noch gewisse finanzielle Nachteile mit sich zu bringen. Man braucht also erst mal einen finanziellen Anreiz, um sich fair zu verhalten: „Na schön, wenn sich’s denn rechnet, werd ich meine Leute mal anständig behandeln.“ Lernt man sowas im BWL-Studium? Wieso ist das eine anerkannte Denkweise? Ich find’s armselig.

Ethik ist nicht gut genug

Vielleicht bin ich irgendwie altmodisch, aber ich finde, es gebietet zuallererst einmal der Anstand, Leute ordentlich zu behandeln. Es ist nicht nur meine „gesetzliche Fürsorgepflicht als Arbeitgeber“ oder mein Profitstreben. Sondern ich handle auch aus Pietät, Mitgefühl, Interesse am Gemeinwohl. Vielleicht auch aus Eigennutz, weil es gut für mein Selbstbild als Führungskraft ist, wenn ich meine Leute fair behandle – weil ich kein Arschloch sein will. Vielleicht arbeite ich ungern in einem Klima, indem alle des anderen Wolf sind. Vielleicht ist unsere gemeinsame Menschlichkeit irgendwie wichtig, in sich selbst, ohne dass ein Preisschild dranhängen muss. Und erst in zweiter (oder gar dritter, vierter, fünfter) Linie spielt eine Rolle, wie sich unser Umgang finanziell auswirkt.

Glückliche Mitarbeiter*innen sind 12 Prozent produktiver, haben Wissenschaftler herausgefunden. Find ich super, aber wisst Ihr, was noch geiler ist? Glückliche Mitarbeiter*innen sind glücklicher! Das ist doch was, oder? Offensichtlich reicht das nicht.

Großraumbüros sind nicht nur Mist, weil sie die Produktivität verringern und die Krankheitsquote nach oben treiben – sondern allein schon, weil sich Leute dort unwohl fühlen: nämlich beobachtet, kontrolliert, überfordert von den Reizen. Reicht das nicht? Muss man da überhaupt noch die Produktivität bemühen? Wieso kann ich als Unternehmer*in nicht sagen: Ich möchte einfach, dass es meinen Leuten gutgeht. So wie ich auch möchte, dass es meiner Katze gut geht, ohne dass sie etwas dafür leisten muss. Katzen sind ja bekanntlich ziemliche Leistungsverweigerer.

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Oder nehmen wir Diversity. Total wichtig! Teams sollen möglichst vielfältig zusammengesetzt sein – nach Alter, Geschlecht, Ethnie usw. Warum? Weil gemischte Teams besser „performen“. Erstens ist das naiv, denn so einfach ist es nicht. Jeder, der mal mit irgendeinem bunten Haufen ein Projekt stemmen musste, kann ein Lied davon singen, dass es nicht ausreicht, Leute irgendwie zusammenzuwürfeln. Es müssen Bedingungen geschaffen werden, damit Menschen verschiedener Couleur gut zusammenarbeiten können, z. B. interkulturelle Kompetenz, Toleranz, Vertrauen, psychologische Sicherheit. Anderenfalls ist es nämlich unkomplizierter und konfliktärmer, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die ähnlich ticken wie man selbst.

Zweitens macht es eben nicht nur wirtschaftlich Sinn, beispielsweise Frauen an der Macht zu beteiligen. Selbst wenn es finanziell keinen Sinn machen würde, hätten Frauen ein Recht mitzumischen – sie stellen verdammt noch mal die Hälfte der Weltbevölkerung. Es macht also auch, ähm, ethisch Sinn? Außerdem haben sie vielleicht mehr zu bieten als Wirtschaftlichkeit.

Vorteile jenseits des Geldes

Es kann viele Effekte haben, wenn Frauen beteiligt sind: weniger Kampf, mehr Ausgleich – auch Ehrlichkeit und kritisches Hinterfragen scheinen Stärken von Frauen zu sein, wie Männer berichten. Es könnte sein, dass Frauen eher ethische Fragen stellen, die Männer in ihrer Technikbegeisterung übersehen. Lenkt man mal den Blick weg vom Geld, fallen einem plötzlich ganz viele andere Gründe ein, warum etwas sinnvoll sein könnte.

Dasselbe gilt für Migrant*innen. Vielleicht bringen sie viel mehr in das Team ein, als wir uns überhaupt vorstellen können? Humor, gewürztes Essen? 😛 Eine andere Art zu arbeiten und zu leben? Vielleicht ist das auch alles egal und sie müssen gar nix einbringen, sondern haben Menschenrechte und dürfen deshalb mitspielen?

In den Abgrund

Angestellte haben in unserem Land einen Anspruch auf Urlaub. Klar, das ist wirtschaftlich gesehen clever. Weil die sonst irgendwann tot umfallen würden. Es kann aber nicht der alleinige Sinn von Urlaub und Freizeit sein, wieder fit fürs Weiterarbeiten zu werden. Wo sind wir denn hier? In der Sklaverei? „Spartakus muss morgen wieder in die Arena, also gebt ihm gut zu essen und lasst ihn bisschen ausruhen.“ Wieso sind Überschriften wie diese hier okay?

Foto: Lydia Krüger (Artikel aus der Berliner Zeitung)

Als gäbe es nichts anderes im Leben, für das es sich lohnen würde, fit zu sein. Der Mensch als leistungsfähige Maschine – eine solche Idee ist faschistoid: Welchen „wirtschaftlichen Sinn“ machen denn diejenigen Mitglieder der Gesellschaft, die nicht (mehr) arbeiten? Chronisch Kranke und Behinderte zum Beispiel? Die Nazis haben ihr grausames Euthanasie-Programm unter anderem mit „kriegswirtschaftlichen“ Erwägungen begründet. Ui, jetzt wird’s aber unangenehm, das will man nicht lesen. So war das dann doch nicht gemeint. Aber genau in diesen Abgrund führt das Primat der Wirtschaftlichkeit, wenn man es auf Menschen anwendet. Deshalb wird mir immer ein bisschen schlecht, wenn ich den Spruch höre.

Auch beim Umwelt- und Klimaschutz heißt es oft: „Wir schützen die Umwelt nur dann, wenn es auch wirtschaftlich Sinn macht.“ Vielleicht macht auch einfach Überleben Sinn? Überleben ist verdammt sexy, finde ich. Im Übrigen ist es der Natur auch ziemlich wurscht, wie wirtschaftlich wir es finden, sie (und damit uns) zu erhalten. Müsste nicht Überleben das Argument Nummer Eins sein? Angesichts der aktuellen Entwicklung können wir nur hoffen, dass sich diese Ansicht durchsetzt. In dem Film „Tomorrow“ wird aufgezeigt, wie das gehen könnte.

Gedankenlos wirtschaftsorientiert

„… und es macht ja auch wirtschaftlich Sinn“: Das sagt und schreibt sich so dahin – ich vermute, die meisten denken sich nichts dabei. Es zeigt aber, wie sehr wir alle Lebensbereiche dem Geld unterordnen. Dass etwas wirtschaftlich ist, scheint das ultimative Argument zu sein – ein Totschlagargument.

Wer die Wirtschaftlichkeit auf seiner Seite hat, hat die Debatte quasi schon gewonnen. Das hab ich unzählige Male so erlebt: „Es gibt Vorschlag A und Vorschlag B. Und hier steht, A ist wirtschaftlicher. Tja, also, wenn das so ist, dann können wir wohl nicht anders, als A zu machen.“ Doch, wir können anders. Wir haben immer eine Wahl.

Erst mal gucken, was ethisch ist. Und was beide Vorschläge jenseits von Geld für Vor- und Nachteile haben könnten. Welche Anspruchsgruppen sind beteiligt und wie stellt man sie zufrieden? Wie wird die Zusammenarbeit aussehen? Was ist mit sozialen und Umweltkosten? Zumal das Argument der Wirtschaftlichkeit ja gerade aufgrund seiner scheinbaren Unbesiegbarkeit oft nur vorgeschoben wird. Zahlen lügen nicht? Oh doch, sehr gut sogar.

Wenn Wirtschaftlichkeit der wichtigste oder gar einzige Maßstab ist, anhand dessen wir Entscheidungen treffen, wird es gefährlich. Wir brauchen dringend neue Maßstäbe.

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10 Kommentare

  1. Reikemareike

    Mal wieder ‚to the point‘. You nailed it. Guter und wichtiger Artikel, danke dir!

  2. Carlo

    Vielen Dank für diesen Text. Er enthält viele Gedanken, die mich seit Jahren, auf der Suche nach Lösungen, beschäftigen. Ich möchte ein paar meiner Überlegungen teilen.

    Ich bin dafür, wenn Menschen wirtschaftlich denken. Denn Wirtschaftlichkeit ist notwendig, wenn Ressourcen begrenzt sind. Nur sollte man wirtschaftlich nicht mit ökonomisch gleichsetzen.
    Der Planet Erde ist begrenzt. Um auf ihm zu leben, ist Wirtschaftlichkeit angebracht. Das »moderne« Denkkonstrukt Geld ist theoretisch unbegrenzt, wird aber durch (ökonomische und gesetzliche) Regeln verknappt. Die menschliche Leistungsfähigkeit ist dagegen unbegrenzt. Schon an dieser Stelle kann man einen tiefen Widerspruch erkennen. Denn die Verknappungsregeln treiben nicht zur Effektivität, welche natürlichen Regeln folgt, sondern zur Effizienz, welche Regeln des Geldes folgt. Letztlich bestimmen wenige Geldbesitzer Regeln, die hierarchisch über eine Machtpyramide durchgesetzt werden. Deshalb ist Geld für bestimmte Dinge vorhanden und für andere Dinge nicht. Man nennt dies dann Sachzwänge. Für die Öffentlichkeit liefern Parteipolitiker eine Theatervorstellung über etwas, was sie gar nicht haben und streiten über, was sie nicht umsetzen können. Das sind dann eben dieses mythische »knappe« Geld und die »Sachzwänge«. Die Umverteilung der gesamtgesellschaftlichen Leistungen erfolgt ökonomisch. Besitz und Eigentum werden im Verhältnis zur erbrachten Leistung höher bewertet und belohnt. Daher ist der Begriff Leistungsgesellschaft eine leere Worthülse.

    Weil ich davon ausgehe, dass alle Menschen gleichwürdig/gleichwertig sind, entspricht die Vorstellung, Frauen, Männern, Behinderten, Menschen aller Hautfarbe, … gleiche Verantwortung zu übertragen, meiner tiefsten Überzeugung. Ich kann an dieser Stelle keine Probleme erkennen. Das Problem sehe ich in der zentralistischen Machtpyramide selbst. Vor allem, weil fast immer Macht und Führung miteinander gleichgesetzt oder vertauscht werden. Mit Machtpyramiden verbinden sich Herrschaftsansprüche. Durch die ökonomische Lehre als Basis passiert dies automatisch. Es ist daher nur eine Sache von Kosmetik, wie und durch wen die verschiedenen Ebenen der Pyramide besetzt werden. Menschlich gedacht könnte man sich an der Natur orientieren. Sich an der Natur zu orientieren würde bedeuten, zentralistische Herrschaftsstrukturen gegen Netzwerke einzutauschen und Konkurrenz durch Kooperation zu ersetzen (und keinen Müll zu produzieren). Gesellschaftliche Heterarchie, neuronalen Netzen nachempfunden, könnte eine Alternative zur gesellschaftlichen Hierarchie darstellen. Wenn man davon ausgeht, dass jeder Mensch gleichzeitig verschiedene Interessen und Identitäten besitzen kann, ergeben sich unendlich viele Verknüpfungsmöglichkeiten.

    Hinweis: Dieser Kommentar steht in ganz enger Verbindung mit den Gedanken, die ich hier darlegte: https://www.bueronymus.de/sich-vertragen-ohne-vertrag/#comment-1360

  3. Sehr kluge Gedanken, Carlo! Ich mache mir da auch schon lange Gedanken darüber. Nur mal einer dieser Gedanken in allerkürzester Kürze, der auch unsere Bloggerin hier berührt: Eine Gesellschaft, wie die unsere, die im Grundsatz auf hierarchischen Strukturen basiert, kann man nicht in eine Gesellschaft überführen, die im Grundsatz mit weniger oder sogar gar keiner Hierarchie auskommt (das entsprechende Modell wäre dann „heterarchisch“), indem man da irgendwas „aufsetzt“ oder „verordnet“. Ein Wandel in dieser Hinsicht kommt nur, wenn das von Leuten getragen wird, die eine andere Einstellung haben, denen Kooperation wichtiger wäre als Konkurrenz. Man muss da also mehr an der Einstellung der Menschen ansetzen und weniger irgendwelche wie auch immer gearteten „aufgesetzten“ Modelle basteln.

    • Carlo

      Danke für die Blumen.
      Wenn Du Dir schon lange Gedanken gemacht hast, was ist dann Dein Lösungsvorschlag, welche sind Deine Alternativen? Was alles nicht geht, nicht funktioniert, kann man jeden Tag beobachten. Interessant ist für mich in einem Gespräch, welche Vorschläge mein Gegenüber einbringt.
      Aus meinen bisherigen Beiträgen sollte ersichtlich sein, dass für mich Freiheit und Gleichwürdigkeit (nicht Gleichheit) der Menschen im Mittelpunkt meiner Betrachtung stehen. Von daher käme mir ein Lösungsansatz, der den Ersatz einer Gewalt durch eine andere beinhaltet nicht in den Sinn. Was Du ansprichst geht mehr in die Richtung »wie« löse ich das Problem. Darauf bin ich bisher aus gutem Grund nicht eingegangen. Ich erwähnte beiläufig nur verschiedene Stellschrauben des gesellschaftlichen Systems. Falls Du Dir meine Beiträge aufmerksam durchgelesen hast, sollte Dir klar sein, dass ich der Letzte bin, der bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme ein Übel mit einem anderen Übel ersetzen wollte. Das wäre kein Wandel. Warum ich ausdrücklich nicht auf einen Bewusstseinswandel setze, erläutere ich nun:

      Zunächst einmal bin ich in meinen bisherigen Beiträgen noch überwiegend in der Analyse und im Aufzeigen von Problemen und Alternativen. Ich denke, dass unbedingt notwendig ist, sich so neutral wie möglich mit dem Ist-Zustand und seinen historischen Hintergründen auseinanderzusetzen. Warum sind Bedingungen so, wie man sie heute vorfindet und wie könnten menschenfreundliche Bedingungen aussehen. Wenn man sich darüber im Klaren ist, kann man sich die Frage nach dem Weg stellen. Vor dem »Wie« kommen immer das »Warum« (Ursachen) und das »Wohin« (Vision). Daran sollte man sich wieder gewöhnen, wenn man tatsächlich grundsätzliche Lösungen und folgende Veränderungen möchte. Für Reformen reicht meistens das »Wie«.

      Die Entwicklung von Wissenschaft und Technik täuscht darüber hinweg, dass sich die »moderne« westliche, menschliche Gesellschaft seit Jahrtausenden in ihrem Wesen nicht verändert hat. Sie war und ist und bleibt eine unmenschliche Ausbeutungsgesellschaft. Der Planet wird geplündert, Pflanzen und Tiere werden unnatürlich behandelt, Menschen werden unterdrückt und ausgepresst. Daran hat sich in der Geschichte, trotz aller Aufstände, Revolutionen, Kriege, Katastrophen, nichts geändert. Nach all diesen Ereignissen wurde die Gesellschaft immer wieder auf Anfang gestellt und alles nahm seinen gewohnten Lauf. Die Einen waren oben, die Anderen waren unten. Sicherlich gab es ein paar Variationen und Modifikationen. Das Wesen änderte sich nicht. Warum änderte sich nichts? Ich führe es darauf zurück, dass Angst kein guter Ratgeber ist. Menschen können in Angst und Not schlecht denken. Man klammert sich an das was man hat und ist nicht offen für andere Dinge. Die Revolution trägt dies sogar im Namen (revolvere – sich (im Kreis) drehen, wieder auf Anfang). Es hilft also nicht, darauf zu spekulieren, dass es Menschen nur schlecht genug gehen muss, damit sie etwas ändern. Die Geschichte beweist bisher das Gegenteil.
      Der nächste Punkt ist meistens, dass man das Bewusstsein der Menschen in den Mittelpunkt rückt. Wenn Menschen eine andere Einstellung hätten, würden sie dieses tun und jenes lassen. So eine Position ist problematisch, weil niemand weiß, was welcher Mensch wie, wann und warum tun möchte. Menschen sind nicht gleich und werden es nicht sein. Menschen sind nicht gut, böse, gemein, hilfsbereit, gierig, faul, fleißig, friedlich, kriegerisch. Oder doch. Sie sind alles mit unterschiedlichen Ausprägungen. Sie haben eine natürliche, überlebensnotwendige Eigenschaft: sie passen sich an. Nahezu alle passen sich auf unterschiedliche Weise an ihre Lebensumgebung an. Da muss man sich auch nicht groß umschauen und eventuell mit dem Finger auf jemanden verweisen. Es reicht ein Blick in den Spiegel. Eine Gesellschaft in der Egoismus als Wert gefeiert wird, wird dementsprechend viele Egoisten hervorbringen. Dagegen wird eine (Wissens)Gesellschaft, die kooperativ, zum Beispiel auf der Basis OA (open access), OC (open content), OS (open source), funktioniert, wahrscheinlich dementsprechend weniger Egoisten erzeugen. Welche Art von Bewusstsein ist also in den westlichen Gesellschaften der Gegenwart zu erwarten? Nach dem Blick in den Spiegel muss man sich nur umsehen.
      Jedenfalls bin ich davon überzeugt, dass unmenschliche Lebensumgebungen keine Menschen mit philanthropischem Bewusstsein entstehen lassen. Es lohnt es in meinen Augen nicht, darauf zu warten. Ich finde es wichtig, das System zu hinterfragen.

      Eine andere Frage bleibt trotzdem: Wann sind Menschen bereit für grundlegende Veränderungen? Nicht, wenn es ihnen schlecht geht und nicht erst nach einer, vielleicht nie eintretenden, Bewusstseinsveränderung, sondern wenn sie davon überzeugt sind, dass sich ihre (Lebens)Situation durch die geplanten Veränderungen (Wandel) in einem überschaubaren Zeitrahmen verbessert (oder für die Vermögenden: dass sie sich nicht verschlechtert). Das wäre eine der wichtigsten Grundlagen für die Einleitung eines Transformationsprozesses der Gesellschaft.

  4. Hui, was ist das denn?! Da denkt ja einer mal wie ich!
    Kein Witz! All diese Problemantiken und Sichtweisen, die du da ansprichst, sind zu einem hohen Prozentsatz identisch mit meinen. Ich bin dabei, ein Buch darüber zu schreiben, das genau deiner Vorgehensweise entspricht: Genaue Analyse des Ist-Zustandes, das dann in den geschichtlichen Kontext gesetzt und eine Vision daraus abgeleitet.
    Ich nenne das dann einen Paradigmenwechsel.
    Ich verfolge dabei einen konsequent interdisziplinären Ansatz, der sich um Fachgrenzen nicht schert. Mir raucht dabei ziemlich der Kopf, da ich zur Zeit auch mit den technischen Belangen dieses Projektes zu tun habe ( Buch veröffentlichen, Website bauen etc.) – alles quasi parallel. Ich habe deine Sachen nicht ausführlich gelesen, merke aber sofort, dass wir sehr Gleichgesinnte sein müssen. Du formulierst ja schon in so einem Kommentar Dinge so ausgefeilt, wie ich, als ich noch Lust auf feinsinniges Formulieren hatte. Das klingt alles sehr vernünftig – „mit oder ohne Blumen“. Hast du denn auch eine Website? Ich weiß nicht: Spielt bei deiner Denke auch Religion eine Rolle? Bei mir tut es das nämlich. Basis meiner Argumentation ist aber die moderne Hirnforschung à la Hüther und Spitzer.
    So viel mal vorab. Jetzt muss ich mein rauchendes Hirn wieder schonen. Möchte hier auch nicht zuviel von m/einem „noch ungelegten Ei“ schon preisgeben.

  5. Übrigens, Lydia. Großes Lob! Dein Artikel ist schon ziemlich großartig! So etwas liest man nur von sehr reflektierten Personen, die allerdings eine sehr seltene Spezies sind.
    Eine Sache sehe ich nach einigen persönlichen Erfahrungen etwas kritischer. Dass Frauen mehr hinterfragen, weil sie Frauen sind, das sehe ich mittlerweile nicht mehr so. Ich dachte das früher auch mal, weil ja auch unterstellt wird, dass Frauen feinfühliger sind, mehr Emotionen in ihrem Denken zulassen und all so was. Das Problem ist aber: Wenn Frauen strikt auf ihre Karriere ausgerichtet sind, dann bleiben innerhalb unserer bestehenden Strukturen diese liebenswerten Eigenschaften genauso auf der Strecke wie bei den Männern. Und bei bestimmten Fragen, die hinsichtlich „hinterfragen“ ans Eingemachte gehen, blocken rein rationale weibliche Intellektuelle oft genauso wie die Männer (meine Erfahrung). Letztlich hängt es doch geschlechterübergreifend von der Persönlichkeit ab.
    Ein analoges Phänomen läuft derzeit in der katholischen Kirche ab. Frauen klagen ein, dass sie die gleichen Ämter und Positionen wie die Männer einnehmen können. Das ist unter Gleichberechtigungsaspekten natürlich
    sehr angezeigt und überfällig. Allerdings wäre es noch wichtiger, dass alle zusammen erstmal authentischere Christen würden. Mehr oder weniger stehen da immer sekundäre Themen im Vordergrund, nicht der Kern des ganzen Schlamassels.

    • Carlo

      Die Selbsterkenntnis ein Mensch zu sein, also seine Würde zu erkennen, ist weder vom Geschlecht noch von einer Religion abhängig. Sie ist aber zwingend damit verbunden, die anderen Menschen ebenfalls als Menschen zu erkennen und als menschliche Subjekte zu behandeln.

    • Lydia

      Das Stichwort dazu heißt „Women leading like women“. https://www.nytimes.com/2019/03/30/opinion/women-leadership-jacinda-ardern.html Die ersten Generationen von Frauen mussten sich durchbeißen und viele haben dazu männliche Verhaltensmuster übernehmen müssen, um in einem für Männer gebauten System zu überleben. Jetzt bauen wir das System so um, dass es auch für Frauen passt und wir unsere Stärken ausspielen können. ?? Dass Frauen mehr hinterfragen, habe ich selbst in der Führungsetage erlebt, das wurde von meinem Oberhäuptling kritisiert und auch andere Männer berichteten mir davon (übrigens positiv konnotiert). Ob es dafür wissenschaftliche Belege gibt, müsste ich mal recherchieren. Bislang habe ich mir es so erklärt, dass Männer durch die Armee geprägt sind, Hierarchien eher anerkennen und daher eher zu „Ja, Chef“ tendieren, während Frauen „Moment mal, wieso eigentlich?“ fragen.

  6. Diese Unterscheidung in Menschen als Subjekte oder als Objekte behandeln ist ein Lieblings-Aufhänger bei Gerald Hüther. Er strapaziert den Gedanken sehr, dass Menschen sich gegenwärtig wie Objekte behandeln. Er bekommt dann in Interviews zuweilen Nachfragen wie „Was meinen Sie damit genau?!“ Das Problem ist, dass diese Behandlung als Objekt „allzu-normal“ ist, das ist in unserem Kulturkreis quasi der unschöne Standard (für andere Kulturkreise erlaube ich mir da mal keine Einschätzung), was aber natürlich nicht gerne zugegeben wird. Es ist ein Symptom unserer Ideologie – letzlich ein Kennzeichen aller Ideologien.
    Eine Religion ist meiner Ansicht nach anders zu bewerten als z.B die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, weil in der Religion ( ich beziehe mich hierbei auf die christliche Religion) bei redlicher Betrachtung die Einstellung eine Rolle spielt, während das jeweilige Geschlecht einfach nur ein objektiver Fakt ist auf den natürlich sensibel Rücksicht genommen werden muss. Nimm mal nur das Gleichnis vom barmherzigen Samariter im Neuen Testament. Da geht es um die Einstellung, die jemand angesichts einer bestimmten Notsituation eines Mitmenschen hat. Um den Gedanken von Lydia aufzugreifen, wäre die einfache, aber klare Botschaft dieses Gleichnisse sehr allgemeinverständlich „Du sollst kein A…loch sein! Sei auch kein Geizhals! Sei im Rahmen deiner Möglichkeiten großzügig mit Geld. Gib, ohne zurückzufordern!“
    Und jetzt: Wie viele Menschen halten sich da dran unter gegenwärtigen Bedingungen, wo man ständig taktieren muss und auf den eigenen finanziellen Vorteil aus sein „soll“?! Das ist schwierig bzw. anspruchsvoll.

  7. Wenn es denn so ist, dann würde ich das natürlich begrüßen. Es kommt natürlich auch immer drauf an, was man „hinterfragt“. Hinterfragt man lediglich eine vorgesehene Maßnahme in einer Teamsitzung des Unternehmens, in dem man gerade angestellt ist, oder hinterfragt man das System als Ganzes. Das wäre ja dann doch ein himmelweiter Unterschied! In solchen Teamsitzungen habe ich selber auch Frauen als „gesprächsbereiter“ erlebt. Ich erlebe allerdings generell Frauen als gesprächsbereiter – in allen Lebenslagen. Dass das „Ja, Chef“ auf eine Prägung durch das Militär zurückgeht, könnte ich jetzt nicht bestätigen. Die Zeit in der Bundeswehr, die zu meiner Zeit noch als Wehrdienst abzuleisten war, hat meiner Ansicht nach keinen großen Effekt auf das sonstige Verhalten im Zivilleben (gehabt). Das wurde als eine lästige Pflichtübung empfunden und jedem war bewusst, dass das eine zeitlich begrenzte Sondersituation war, die mit dem Zivilleben nicht viel gemeinsam hat/te. In der Schweiz könnte das anders sein, da dort ziviles Leben und Militär stärker miteinander verwoben sind. Aber Militär und Wirtschaft sind natürlich generell ähnlich gestrickte Bereiche, da es hier wie dort um Strategien, Taktik und um einen „Kampf“ geht (z.B. um „Marktanteile“). Nicht umsonst liest man immer wieder vom „Wirtschaftskrieg“, den z.B. Trump mit China oder dem Rest der Welt ausficht, wenn er immer wieder mit Handelshemmnissen „Zukunft gestalten“ will. Auch der Begriff „Kaderschmiede“ als Ausbildungsstätte für Nachwuchs-Führungskräfte geht in diese Richtung. Und es ist klar: Mit Ja-sagen lässt sich in allen hierarchischen Systemen natürlich glatter Karriere machen. Wenn du immer wieder querdenkst oder „quer-treibst“ wollen sie dich natürlich eher loswerden. Sie würden dann sagen: „Er/Sie passt/e halt nicht so recht zu unserer Unternehmensphilosophie!“

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