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Zuhören statt draufhauen

Das erste Mal traf es mich wie ein Blitz. Da geht man mit einer Idee in ein Meeting – und sie wird abgeschmettert, bevor sie überhaupt richtig ausformuliert ist. Ich kannte das gar nicht.
Da, wo ich herkam (da sieht man mal wieder, wie naiv ich war 😉 ) – also beim Fernsehen – lief es so, dass man tatsächlich darüber sprach. Natürlich, es gibt auch Ideen, die wirklich für die Tonne sind. Wo man vielleicht sogar selbst sagst: „Ach nee, vergesst es. War ne blöde Idee.“ Oder das Gegenüber nimmt die Idee inhaltlich auseinander. Hey, kein Problem.

Aber grundsätzlich sollte man erst mal zuhören und der Idee eine Chance geben, finde ich. Egal, von wem sie kommt. Gerade Menschen, die neu im Betrieb sind, die von außen kommen und einen jungfräulichen Blick auf den ganzen Laden haben, Junge, Alte,  Fachfremde, Menschen aus anderen Kulturen – das ist doch spannend, was die zu sagen haben!
Ich hab’s anders erlebt: Bei so gut wie jedem neuen Vorschlag wurde der große Totschlagargumente-Hammer rausgeholt. Es sei denn, es war sofort klar, dass die neue Idee Kosten senken konnte. DAS war natürlich etwas ganz anderes.
In jedem anderen Fall bekam man also Killerphrasen um die Ohren gehauen:

  • „Das hatten wir schon mal.“ (Ach, ja? Vielleicht war es ja einfach schlecht umgesetzt und hat deshalb nicht funktioniert.)
  • „Machen Sie erst mal ein Pilotprojekt.“ (Damit kauft man sich Zeit und hofft, dass es nicht funktioniert. Oder sich irgendwie von selbst erledigt.)
  • „Da könnte ja jeder kommen.“ (Ein Super-Totschlagargument bei jeglichen Verhandlungen, in denen es um persönliche Vorteile geht: Gehaltserhöhung, Sabbatical, Teilzeitarbeit, neuer Computer – you name it.)
  • „Das ist doch bloße Theorie.“ („Wissenschaftliche Erkenntnisse? Was haben wir damit zu tun?“)
  • „Da sollten wir uns raushalten.“ (Soll heißen: DU hältst Dich da gefälligst raus. Weil es das Revier von jemand anders ist oder ein Tabu berührt.)
  • „In welchem schlauen Buch haben Sie das denn gelesen?“ („…verdammte Geisteswissenschaftler. Die Praxis sieht doch ganz anders aus.“)
  • „Auf so eine Idee kann nur ein Anfänger kommen.“ (Autsch! Auch noch beleidigend werden…)
  • „Das entspricht nicht der Politik des Hauses.“ (Doppelt fies, denn entweder kennen Sie die Politik des Hauses nicht oder sie ist Ihnen egal. Sie Revoluzzer!)
  • „Dafür ist jetzt ein ganz schlechter Zeitpunkt.“ (Geht immer. Denn es gibt nie den perfekten Zeitpunkt für Innovation. Es nervt immer, sich neben dem Tagesgeschäft um etwas Neues zu kümmern.)

Ich könnte jetzt ewig so weitermachen. Hab ich sogar. 🙂 Ich habe nämlich ganze 80 Totschlagargumente identifiziert. Und wie es meine Art ist, habe ich sie in eine kleine Box gesperrt – zum Lachen, Verschenken und natürlich zum Trainieren. Damit Totschlagargumente keine Chance mehr haben.
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Denn letztlich, davon bin ich überzeugt, steckt eine Überforderung dahinter: Wenn Führungskräfte alles Neue nur noch abwehren, dann heißt das, dass sie kaum noch Luft zum Atmen haben.
Sie sind nicht mehr offen für Innovationen, weil sie im Sumpf ihres eigenen Tagesgeschäfts (bzw. dessen, was sie dafür halten: Berichte, Statistiken, Meetings) versinken.
Sie sind genervt, weil dieselbe Idee immer wieder aufpoppt und von unterschiedlichen Leuten an sie herangetragen wird. Hm, da würd ich mich doch fragen: Vielleicht ist da ja was dran? Vielleicht gibt es einen Grund, warum diese Idee so ein Wiedergänger ist? Gibt es da etwa einen Bedarf?
Aber nee, da haut man lieber drauf. Damit erst mal Ruhe ist. Bis zum nächsten Mal.

Fotos: Lydia Krüger

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15 Kommentare

  1. Ach ja. Der Kummerkasten wurde abgehängt und das betriebliche Vorschlagwesen verjagt. Der institutionelle Hintergrund. Anreize, die von oben bis nach unten kommen. Folge: Keine Experimente auf meiner Kostenstelle. Und wenn doch dann nur welche die nix kosten oder mir helfen auf meiner Kostenstelle viel Geld zu sparen, denn das kommt mir ja am Ende des Tages und des Geschäftsjahres als Bonus zu gute, wenn ich das Budget unterschreite. Alle wissen das, die eine Kostenstelle haben nur die im Meeting Ideen haben, die wissen das meist nicht und nehmen das dann oft persönlich.

    • Und dann gibt es noch diese Unverbesserlichen, die das alles wissen und es trotzdem versuchen. ?

  2. Können wir bitte in Bezug auf die 80 von Dir gesammelten Totschlagargumente eine „Gegengift“-Liste anfertigen?
    So in die Richtung: „Zu jedem einzelnen der 80 jeweils 5 unmittelbare Konter-Reaktionen/Antworten, wie sie ihre gerade getötete Idee sofort reanimieren können?“
    Also eine Liste, von der man sich inspirieren lassen und aus der man auswählen kann, was man eventuell vielleicht doch mal reinwirft, wenn man grade mal wieder getotschlagargumentiert wird…
    …natürlich keine Liste, die sagt: „So müssen sie das machen“ oder „So kontern sie richtig“, sondern einfach nur ein kleiner Fundus für die, die Bock haben, ihr Konterarsenal aufzupeppen.
    Und über eine Kultur, in der nicht totschlagargumentiert wird und diese Gute-Konter-Liste einfach nur verwendungslos ist, reden wir dann einfach an anderen Stellen weiter… 😉
    Aber vielleicht ist auch das von mir einfach nur ne blöde Idee. Vergesst es.

    • Hihi! Ich hatte tatsächlich erst überlegt, jeweils schlagfertige Antworten auf die Kärtchen mit draufzuschreiben. Aber dann fand ich, dass das ja jeder für sich machen kann. Die Auseinandersetzung damit ist wichtig. Außerdem können die Antworten sehr individuell sein. Aber feel free! ?

  3. Ich hoffe Du hast „Das hat keine Priorität.“ und das schlichte „Ist uns egal.“ (ggf. auch was rechtlich hinten dran hängt) mit auf der Liste 😉

  4. Ein sehr netter Blog. Amüsant zu lesen, nachdenklich machend, informativ, anregend, vorbildhaft, schöner Schreibstil, kontaktvolle Kommentare. Es ist sehr schön hier. Danke.

  5. Ulrike

    Ach, die Box ist echt genial. Würde ich zu gerne mal unserem Abteilungsleiter schenken… vielleicht mal als anonymes Geburtstagsgeschenk…?
    Das heftigste Totschlagargument, was sich bei mir eingebrannt hat – bestimmt der Klassiker in HORGs: „Ober sticht unter!“
    Oder von einem anderen Chef: „Wenn Sie alles so machen, wie ich Ihnen das sage, dann geht schon alles gut.“
    Oder noch einer: „Sich selbst verwirklichen konnten Sie im Studium!“ (Den find ich eigentlich noch heftiger, als den ersten.)
    Also, wenn du noch mal die Totschlagargumente Vol. 2 rausbringst, fällt uns sicher noch einiges ein.
    So „Wiederbelebungs-Argumente“ mit auf den Karten fände ich auch toll… ist ja nicht jeder so schlagfertig. 😉

    • Ich sammel schon für die 2. Auflage. 🙂 „Machen Sie doch einfach, was ich Ihnen sage“ habe ich auch mal zu hören bekommen. Autsch!

      • Norbert

        Für Ihre Ideen-Sammlung:
        „Wenn Ihre Idee so gut wäre, wie Sie behaupten: Warum hat es dann der Wettbewerb nicht schon längst umgesetzt?“
        Ist mir tatsächlich in einem Meeting in der F&E eines Konzerns vor den Latz geknallt worden. (Die Idee wurde trotzdem umgesetzt und hat alles geschlagen, was bis dahin auf dem Markt war.)

        • Grandios! Sowas in der Art ist auch in meiner Box enthalten. 😉

  6. Oh, gibt es die Top-Totschlagsargumente auch als Bullshit-Bingo?! ???

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