Schöne neue Welt

Seit dem 5. November wissen wir, dass sich ein Großteil der Amis von dem, was wir mal eine gemeinsame Realität nannten, verabschiedet hat. Unter Ausblendung jeglicher Fakten (die stören nur!) wählten sie den größten anzunehmenden Unfall zum Präsidenten: Donald Trump. Eigentlich könnte ich direkt diesen Artikel vom November 2016 nochmals veröffentlichen. So viel hat sich nicht verändert. Hillary durch Kamala ersetzen und fertig. Aber diesmal die Wahl noch abgefuckter: Die Leute wussten, wer Trump ist, und haben ihn trotzdem gewählt.

Mit glänzenden Augen gaben Latinos (!) O-Töne über den Chef des Grauens zum Besten: „We love Trump.“ Und warum? „Because of his VALUES.“ Da fragt man sich als halbwegs bei Sinnen seiender Mensch natürlich sofort: Welche Werte sind es denn, die so gut ankommen? Seine Ruchlosigkeit, seine sexuelle Übergriffigkeit, sein Ehebrechertum? Oder sein Rassismus? Sind es die 6 Pleiten und Millionen Schulden? Oder die 34 Verurteilungen?

Trump hat ein reality distortion field geschaffen. Es hieß, Steve Jobs sei ein Meister darin gewesen, die Realität so zu verzerren, dass sein Umfeld ihm alles glaubte. Mit „einer Mischung aus Charme, Charisma, Angeberei, Übertreibung, Marketing, Beschwichtigung und Beharrlichkeit“ brachte er seine Mitarbeitenden dazu, das Unmögliche möglich zu machen und ihn sogar noch zu bewundern, wenn er ihnen ihre eigenen Ideen „zurückverkaufte“.

Dasselbe macht Trump. Er redet sich eine Welt herbei, die so nicht existiert. Sie wimmelt nur so vor einfachen Lösungen. Er liefert den Leuten genau das, wonach sie sich schon immer gesehnt haben: den dicken fetten Alles-wird-gut-Knopf. Was auch nur schiefläuft, im Großen wie im Kleinen, in der Welt und in ihrem Leben – Trump muss nur den Alles-wird-gut-Knopf drücken und schon ist es da, das Paradies: Inflation weg, Zaster für alle, Kriminelle raus, Kriege vorbei.

Da ist die Enttäuschung der Wählenden natürlich vorhersehbar. Aber Trump wird auch dafür etwas einfallen. Kurz schien es ja, als hätte Vize-Präsidentschaftkandidat Tim Walz ein Rezept zur Entzauberung des orangenen Blobs gefunden, als er die Republikaner*innen kurzerhand als weird einstufte. Aha, der Kaiser ist nackt! Trump hat Zuckerwatte auf dem Kopf und eine orangefarbene Paste auf der Haut, er redet wirres Zeug – er ist einfach seltsam. Von seinem Vize J.D. Vance, dem ungehobelten „Mann ohne Augen“, ganz zu schweigen.

Dann kam Trump mit seinem unsäglichen Katzen-und-Hunde-Statement um die Ecke und riss die weltweite Berichterstattung an sich. Memes und Songs kursierten im Netz. Die Urheberin des Gerüchtes nahm alles zurück und entschuldigte sich, Schwarze und Einwanderer*innen wiesen die Anschuldigung empört zurück, Talkmaster machten sich lustig. Aber, wie ich als aufmerksame  Trash-TV-Konsumentin weiß: Das ist alles SENDEZEIT! Für Trump. Und offenbar gab es genug Leute, die ihm dieses uralte rassistische Narrativ abkauften.

US-Psychiater*innen vermuten, dass Trump seine eigene Pathologie (u. a. analysiert von seiner Nichte Mary L. Trump, einer klinischen Psychologin) auf einen Großteil der Bevölkerung übertragen hat. Mit Fakten überzeugt hat er sie jedenfalls nicht. Auf Nachfragen kennen viele seiner Wähler*innen sein Wahlprogramm gar nicht. Sie projizieren einfach ihre Wünsche auf ihn und folgen ihm wie programmiert.

Ich kann uns allen nur viel Glück wünschen, dass wir eine weitere Amtszeit dieses skrupellosen Faschos überstehen. Ist ja nur der mächtigste Mann der Welt, was soll schon schiefgehen?!

Foto von Samantha Sophia auf Unsplash