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Wasch mich,
aber mach mich nicht nass

Psychologen nennen solche Botschaften double bind – zu Deutsch Doppelbindung. Man erkennt sie daran, dass zwei einander widersprechende Botschaften vermittelt werden. Der Empfänger steht vor einem Dilemma: Kommt er der einen Aufforderung nach („Wasch mich“), muss er die andere („Mach mich nicht nass“) ignorieren. Und umgekehrt.
Außerdem – und das ist das eigentlich Spannende daran – gibt es ein Verbot der Metakommunikation. Das heißt, man darf das nicht einfach ansprechen: „Hey, Moment mal, vorhin haben Sie doch aber gesagt, dass Sie ungern nass werden wollen!“ (Kann man machen, aber dann bricht man ein Tabu.)

Als ich diesen Blogbeitrag von HRisnotacrime las, fiel mir der gutgemeinte Tipp für Bewerber auf: Kleide Dich so, wie Du Dich wohlfühlst, aber komm nicht in der Jogginghose! Ja, was denn nun?, fragte ich mich. (So ähnlich sehen alle Tipps für Bewerber aus. Sei Du selbst, aber bloß nicht zu doll! Sei anders, aber bitte nur ganz bisschen.)

Ein paar Tage vorher hatte Lars Vollmer über Andersdenkende und Quereinsteiger geschrieben: Angeblich wollen Unternehmen diese unbequemen Menschen – jedenfalls posaunen sie das gern in die Welt hinaus. Sind sie dann da, haben sie es schwer, werden ausgebremst oder gar rausgemobbt.

Und so fügte sich das Puzzle in meinem Kopf zusammen: Unternehmen senden widersprüchliche Signale aus. Ständig. In meinen HORGs waren sie an der Tagesordnung – wundert’s Euch? 😛 Das lähmt die Mitarbeiter und kann zu Stillstand führen.

Hier ein paar Beispiele:
double-bind-001
Als Führungskraft schlägt man sich ja täglich mit diesen Paradoxien herum: „Steigere den Umsatz, aber spare Kosten!“ Und so weiter. Ich habe mich in dem Schaubild auf die menschliche Ebene konzentriert – einmal, weil sie mich mehr interessiert, aber auch, weil double bind dort verheerende Auswirkungen haben kann.

Doppelbindungssituationen werden oft nicht durchschaut und als unauflösbar, ja bedrohlich erlebt, weil der Empfänger der Botschaft:

  1. keine Wahl hat (Lose-Lose-Situation),
  2. er die zugrundeliegende Paradoxie nicht ansprechen darf (Verbot der Metakommunikation),
  3. er sich aufgrund eines Abhängigkeitsverhältnisses (!) gezwungen sieht, der Aufforderung dennoch Folge zu leisten und
  4. er die Situation nicht verlassen kann.

Dies als kleiner Hinweis an Außenstehende, die es sich gern leicht machen und sich fragen, warum jemand in einer HORG nicht einfach rebelliert oder aussteigt. Doppelbindung ist ein Grund dafür. Denn wer nicht nach links und nicht nach rechts kann, bleibt einfach stehen.

Früher nahm man übrigens an, dass eine dauernde double bind-Kommunikation Schizophrenie auslösen kann. (Hat sich nicht bestätigt.) Verrückt machen kann sie einen aber schon.

Photo by Jake Oates on Unsplash

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17 Kommentare

  1. „Bleiben Sie ruhig, Hilfe ist unterwegs!“
    Hier der Trigger, um aus solchen Situationen „heil“ herauszukommen:
    http://www.goodreads.com/quotes/763833-what-are-your-choices-when-someone-puts-a-gun-to
    anderes Beispiel:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Kobayashi_Maru
    Psychologisches Problemmuster: „Narrow framing“
    http://www.teamworkblog.de/2016/03/nicht-immer-sind-wir-opfer-der.html
    Situation: unverständlich – widersprüchlich – ungeklärt
    Lösung: was wollen Sie „eigentlich“? … und das dann herausarbeiten
    Erfordernis: das „Tabu“ als solches nicht anerkennen
    Danke Lydia für diesen Artikel!

  2. Oder auch eierlegende Wollmilchsäue, 20jährige mit 40 Jahren Berufserfahrung und was weiss ich…
    Mir geht es in jedem einzelnen Vorstellungsgespräch so. Noch schlimmer ist es bei Zeitarbeitsfirmen, die finden toll, dass man so viel gemacht hat, aber leider wünscht sich der Kunde was anderes. Warum wurde ich nochmal eingeladen?

    • Es ist kein Zufall, dass ich durch das Thema Bewerbertipps auf double bind gestoßen bin. Da zeigen Unternehmen ihre Schizophrenie auch nach außen. Sonst läuft das ja hinter geschlossenen Türen…

      • Stimmt. Als normaler Mitarbeiter bekommt man das mehr zu spüren, was noch bescheidener ist. Vernünftige Kommunikation wird aber irgendwie immer weniger.

        • Ich muss ja leider sagen, dass ich als Kommunikationsverantwortliche dazu beigetragen habe, diese double binds zu verbreiten. ? Hatte damals schon ein merkwürdiges Gefühl dabei, wusste aber nicht, warum.

          • Und jetzt klärst Du darüber auf. Kann immer passieren, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Oder eben nur ein Gefühl hat, dass man nicht benennen kann. Schlimmer ist, dass man sich dessen immer noch nicht bewusst ist bzw. auch Zeitarbeitsfirmen/Personalvermittler, diese Schizophrenie weiter befeuern, indem sie den Quatsch mitmachen.

  3. Danke, Lydia,
    für diesen Beitrag, dem ich mich so anschließe.
    Ganz paradox empfinde Situationen, denen ich in kleinen und mittleren Unternehmen begegne, wenn die Eigentümer oder Geschäftsführenden einen Tag so und am nächsten Tag nach der gegensätzlichen Prämisse handeln.
    Oder ein bisschen kleiner gekocht:
    Alles steht auf dem Prüfstand (muss sich ändern), nur ich (bzw. meine Rolle) nicht.
    Veränderungen in Organisationen zu begleiten sind eine echte Herausforderung. Ich wüsste jedoch nicht, was ich lieber täte. 😉
    Tom

    • Als Berater ist man natürlich auch dem einen oder anderen double bind ausgesetzt. ?

  4. Puh, Lydia. 🙂 Krass, was du da rausliest. Hehe. Danke für die Gedanken.
    Also ich bin selbst aus dieser HORG raus (ich mag diese Abkürzung irgendwie null) aus diversen Gründen und finde nix verwerfliches dran, wenn man erwartet, dass jemand zu einem Treffen, das demjenigen ein bisschen wichtig ist, ne propere Buxe anzieht. Gibt ja mittlerweile auch schicke Joggings btw. Aber vielleicht bin ich halt auch einfach zu konservativ erzogen und nicht Berlin genug. Skype in your Underwear.
    Ich schreibe dies, während ich eine Hose trage (noch!). 😉
    Liebe Grüße!
    Eva
    PS:Habe deinen Kunden- vs. Partner-Post tatsächlich als Bsp. misslungener Kommunikation in meinem Workshop benutzt. Danke dafür! 🙂

    • Nix für ungut, manchmal gehe ich halt mit einem Thema schwanger (ohne es zu wissen, hehe), und dann kommt irgendwann der Auslöser des Wegs. Dann taugt sogar die Jogginghose als Inspiration. ? Aber es geht um mehr als die Hose. Schönen hosenlosen Abend noch!

  5. Danke, Lydia. Wie (fast immer) bin ich auch hier deiner Meinung.
    Ich selbst bastel schon seit einiger Zeit an einem Blogpost herum der sich zumindest einem ganz ähnlichen Thema annimmt. Das Problem dabei ist nur, dass ich als Angestellter natürlich ganz schnell in ein gewisses „Arbeitgeber-Bashing“ abdrifte, obwohl ich ja laut „Corporate-Guideline durchaus dazu angehalten bin, kritisch and anders zu denken. Merkste was? Genau… Damit sind wir schon direkt beim Thema.
    Ein kurzer, gesitiger Erguss zu den Gründe für das sogenannte Doppelbindungs-Syndrom meinerseits: Der erbärmliche, halbgare und unvollständige Versuch eine attraktive Arbeitgebermarke aufzubauen ist hier des Pudels Kern.
    Da schließen sich Marketing, und vielleicht noch HR, für 2 Wochen im 17. Stock des Elfenbeinturms bei Wein und Koks ein und entwickeln Richtlinien, Guidelines und Corporate Values. Auf einer Flughöhe von 14.000 Metern. Ohne Bezug zur Realität. Dann schmeisst man das gesamte Zeug mit Anlauf in die HORG und beklatscht und feiert sich gegenseitig.
    Leider hat niemand darüber nachgedacht, wie man denn jetzt nun genau diese ganzen guten Vorsätze im Detail umsetzt…
    Um bei deinem Titel zu bleiben: Und so begab es sich zu jener Zeit, dass Marketing & HR „Wasch mich“ entwickelten, der gesamte Rest wie ein Hühnerhaufen versucht hat „nicht nass zu werden“, da Ihnen keiner erklärte wie man sich jetzt denn genau waschen soll und man tendentiell und katzen-artig eher von wasserscheuer Natur ist.
    Puh… Jetzt hab ich gerade den halben Blogpost als Kommentar verfasst. Ich lasse es trotzdem mal hier. You’re welcome 😉
    Grüße, Felix

  6. Danke, Lydia. Wie (fast immer) bin ich auch hier deiner Meinung.
    Ich selbst bastel schon seit einiger Zeit an einem Blogpost herum der sich zumindest einem ganz ähnlichen Thema annimmt. Das Problem dabei ist nur, dass ich als Angestellter natürlich ganz schnell in ein gewisses „Arbeitgeber-Bashing“ abdrifte, obwohl ich ja laut „Corporate-Guideline durchaus dazu angehalten bin, kritisch and anders zu denken. Merkste was?
    Genau… Damit sind wir schon direkt beim Thema.
    Ein kurzer, gesitiger Erguss zu den Gründe für das sogenannte Doppelbindungs-Syndrom meinerseits: Der erbärmliche, halbgare und unvollständige Versuch eine attraktive Arbeitgebermarke aufzubauen ist hier des Pudels Kern.
    Da schließen sich Marketing, und vielleicht noch HR, für 2 Wochen im 17. Stock des Elfenbeinturms bei Wein und Koks ein und entwickeln Richtlinien, Guidelines und Corporate Values. Auf einer Flughöhe von 14.000 Metern. Ohne Bezug zur Realität. Dann schmeisst man das gesamte Zeug mit Anlauf in die HORG und beklatscht und feiert sich gegenseitig.
    Leider hat niemand darüber nachgedacht, wie man denn jetzt nun genau diese ganzen guten Vorsätze im Detail umsetzt…
    Um bei deinem Titel zu bleiben: Und so begab es sich zu jener Zeit, dass Marketing & HR „Wasch mich“ entwickelten, der gesamte Rest wie ein Hühnerhaufen versucht hat „nicht nass zu werden“, da Ihnen keiner erklärte wie man sich jetzt denn genau waschen soll und man tendentiell und katzen-artig eher von wasserscheuer Natur ist.
    Puh… Jetzt hab ich gerade den halben Blogpost als Kommentar verfasst.
    Ich lasse es trotzdem mal hier. You’re welcome 😉
    Grüße, Felix

    • Hehe, das Gefühl kenne ich: Kommentiere ich ausführlich oder mach ich gleich nen eigenen Blogpost draus? Im Zweifel beides. 😉
      Dass an der Basis vorbeigeplant wird, ist ja quasi die Grundvoraussetzung für eine HORG. Und bei Arbeitgebermarke wird mir direkt ein bisschen schlecht – denn wenn man ein anständiges Unternehmen ist und das auch rüberbringt, braucht man keine Arbeitgebermarke. Stichwort Stakeholder-Theorie. Das ist nämlich so selten, dass es sich garantiert schnell rumspricht. Vielleicht schreib ich da mal was drüber. 😀
      Schöne Grüße, hoffentlich ist Dein Meeting schon vorbei.

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