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Tschö Kunde, hallo Partner!

Neulich habe ich eine Software gekauft. Das ist jetzt nicht so ungewöhnlich und wäre normalerweise keinen Blogeintrag wert – wenn der ganze Vorgang nicht irgendwie aus dem Ruder gelaufen wäre. Aber der Reihe nach.

Es war ein Freitag um 9.30 Uhr. Ich hatte gerade einen Lektoratsauftrag hereinbekommen und dachte, jetzt wäre mal ein guter Zeitpunkt, endlich in diese Software zu investieren, die mir die Arbeit erleichtern würde. Getestet und für gut befunden hatte ich sie schon.
Also tat ich das, was ich immer tue, wenn ich Software kaufe: Ich klicke auf den Kaufen-Button, bezahle. Und dann loade ich sie down.
Das wäre wohl zu simpel gewesen

Eigentlich wollte ich sofort mit der Arbeit an meinem neuen Auftrag loslegen, denn die Zeit war knapp. Aber der Download-Link kam und kam nicht. Um 12 Uhr rief ich bei der Firma an. Dort erklärte mir ein mittelfreundlicher Herr (Berlin halt!), es müsse noch jemand drüberschauen, ich würde dann den Link und einen Code bekommen. „Nachmittags“ sollte das passieren. Auf eine genauere Zeitangabe wollte er sich nicht einlassen. Und auch meinen Hinweis, ich bräuchte die Sofortware Software sofort, ignorierte er. Nun ja.

Um 15:23 Uhr schrieb ich eine Mail, gegen 16 Uhr meckerte ich bisschen auf Twitter, um 17:06 Uhr schrieb ich noch eine Mail, in der ich den ganzen Vorgang nochmals schilderte und mit einem Rücktritt vom Kauf drohte. Kurz vor 18 Uhr (also sage und schreibe 8 1/2 Stunden nach meinem Kauf) kam der Download-Link. An Arbeiten war natürlich nicht mehr zu denken – musste das Ding ja noch installieren, was ich auch schon einfacher erlebt habe. Trotzdem signalisierte ich per Mail, dass die Aktion nun doch noch zu einem halbwegs guten Ende gekommen war. Hallelujah!

Der Kunde hat niemals das letzte Wort

Aber Berlin wäre nicht Berlin, wenn statt einer Entschuldigung nicht noch eine Rechtfertigung hinterhergekommen wäre. In jener Softwarebude würden eben nicht nur „seelenlose Automaten vor sich hinwerkeln“, sondern ein Mensch schaue noch mal drauf. (Och ja, mach ich auch in meinem Shop, dauert aber nicht 8 1/2 Stunden.)

Außerdem wäre ja das Versprechen, heute Nachmittag zu liefern, eingehalten worden. Tja, wenn man 17:52 Uhr als Nachmittag gelten lässt. Abgesehen davon, dass mir nachmittags von Anfang an zu spät war.
Last but not least „bedankte“ man sich für meine Meckerei auf Twitter (auf die dort übrigens niemand reagiert hatte). Puh! Lasst es mich so sagen, Freunde:

Service ist, wenn das Unternehmen den Kunden versteht. Und nicht umgekehrt.

Ich reagiere nämlich echt allergisch, wenn ein Unternehmen, dem ich gerade gar nicht mal so wenig Geld in den Rachen geworfen habe, Verständnis von MIR erwartet. Ich schrieb daher zurück:

„[…] Und es gibt ja sowas wie einen Branchenstandard, den der Nutzer gewohnt ist und erwartet. Und 8,5h Wartezeit sind nicht normal, sorry.
Dass Kunden öffentlich meckern, damit müsst Ihr heutzutage rechnen. Normalerweise ist das auch immer ein Zeichen der Verzweiflung beim Kunden.
Müsst Ihr wissen, wie Ihr mit den Kunden umgeht…“

Ob Ihr es glaubt, oder nicht – es kam immer noch keine Entschuldigung. Stattdessen das hier:
„Na, dass und wie intensiv wir uns um unsere Kunden bemühen, wird schon noch klar werden, da bin ich mir sicher.
Allerdings, das mag ungewöhnlich sein, von gleich zu gleich. Bei uns sind Kunden nicht König, sondern Partner – und wir glauben, dass ist langfristig das für beide Seiten angenehmere Konzept.“

Na, der hatte aber gesessen. Ich war nicht mehr Kunde, sondern Partner? War das jetzt gut oder schlecht? Es fühlte sich eher nach Downgrade als nach Upgrade an, um mal softwareseitig zu argumentieren. Von nem angenehmeren Konzept hatte ich jedenfalls noch nichts gemerkt. Und überhaupt: Hätte man mich nicht partenrschaftlicherweise mal fragen könne, ob ich überhaupt Partner sein will? Was hab ich davon, außer dass ich schlechter behandelt werde?

Hello, Partner! And good-bye!

Ich bin Partner, und deshalb kann muss man sich nicht mehr entschuldigen oder was? Wenn Partner sein heißt, dass man weniger Respekt und Mühe bekommt, dann dankeschön. Es fühlt sich so an, als könne man sich nach vielen Ehejahren mal ein bisschen gehenlassen, wa? Da pupst man halt lustig rum, wie einem gerade zumute ist. Dabei habe ich die Softwareleute doch gerade erst kennengelernt…

Ich will gar nicht Partner von allen möglichen Unternehmen sein, die sich mir anpartnern. Irgendwann war die Partnerei mal Mode und seitdem lauern sie hinter jeder Ecke: Ihr Autopartner, Ihr EDV-Partner, Ihr Partner für Telekommunikation, Ihr Partner für exklusive Holzbauten.

„Du, ich denke darüber nach, meinen Telekommunikationspartner zu wechseln.“ Wo sind die Zeiten hin, als Partnerschaft noch etwas Exklusives war? Von der Kundin zur Dienstleister-Hure, wo sind wir gelandet?! 😛
Aber im Ernst: Mir scheint, hier liegt ein Missverständnis vor. Wir sind keine Partner, die Softwareleute und ich sind nicht auf Augenhöhe. Sorry. Ich bin Kundin. Der Unterschied ist für mich folgender: Partner haben das gleiche Interesse.

Zum Beispiel habe ich vor kurzem The Org Project – Science for New Work gegründet, mit Friederike Euwens als gleichberechtigter Partnerin. Das ist ein ganz anderes Thema. Ich will nur sagen: Wir haben beide dasselbe Ziel – unser Projekt groß zu machen, vielleicht gemeinsam ein Buch zu schreiben usw. Kosten und Gewinne teilen wir. Wir ziehen beide am selben Strang. Wir sind, wie es im Englischen heißt, partners in crime – Komplizen.

Aber der Friseur, der mir die Haare schneidet – ist der mein Partner? Der Bäcker, bei dem ich mein Croissant hole – ist der mein Partner? Die Softwarebude, bei der ich meine Software kaufe (und ja, von der ich später vielleicht auch Support brauche) – ist die mein Partner?

Es ist ja nicht so, dass die Programmierer und ich gemeinsam etwas entwickeln, von dem wir dann am Ende beide profitieren. Indirekt ist das der Fall, indem User Fehler melden oder Vorschläge machen, die dann berücksichtigt werden. Aber macht mich das schon zum Partner? Wäre das eine Genossenschaft oder ein Verein und ich könnte Mitglied werden (was im Übrigen eine ziemlich coole Idee ist, wie mir gerade auffällt) und hätte ich irgendwelche Vorteile davon, an dem Produkt mitzuarbeiten, sähe die Sache schon anders aus. Ich bin ja quasi gemacht für sowas. Aber bislang scheint die Partnerschaft vor allem darin zu bestehen, den Kunden nicht ernstzunehmen.

Ich glaube, zwischen Unternehmen und Privatkunde gibt es keine Gleichberechtigung. Sie haben gegenläufige Interessen. Auch wenn das heutzutage gern überdeckt wird. Der eine braucht oder will etwas, was der andere hat oder kann. Es gibt eine Art Gleichgewicht, das dadurch hergestellt wird, dass der eine für seine Leistung (oder sein Produkt) vom anderen Geld bekommt.

Gestörtes Gleichgewicht

Dieses Gleichgewicht ist gestört, wenn der Kunde das Gefühl hat, zu viel Geld gezahlt zu haben oder aber zuwenig bzw. schlechte Leistung zu bekommen. Auch der Dienstleister kann unzufrieden sein, wenn er meint, zu wenig Geld zu bekommen oder ausgenutzt zu werden.

Nur der Vollständigkeit halber: Eine heftige Störung dieses Gleichgewichts ist der Betrug. Überliefert ist eine Anekdote aus der Zeit von Peter dem Großen: Russische Fellhändler packten die guten Felle oben und unten in ein Bündel – dazwischen war minderwertige Ware. Westliche Kaufleute, die den Betrug erst zuhause entdeckten, waren schockiert. Die Idee vom „ehrbaren Kaufmann“ war in Russland noch nicht angekommen.

Dieses Gleichgewicht, diese Fairness, muss immer wieder hergestellt werden. Und das ist in erster Linie Aufgabe des Dienstleisters. Er sorgt dafür, dass der Kunde zufrieden ist. Deshalb ist der Kunde König.

Was Kunden wollen

Ich weiß natürlich, dass der Berliner an sich nicht zum Dienen geboren ist – und wahrhaft großartiger Service ist sehr selten. Fühlt sich aber trotzdem super an, wenn man als Kunde geschätzt wird.
Ich kann nur von mir ausgehen, aber in meinem eigenen Shop versuche ich genau das: dem Kunden das Gefühl zu geben, dass er König ist. Das tue ich, indem ich die drei Grundbedürfnisse des (Onlineshop-)Kunden erfülle:

  1. gute Ware
  2. schnelle Lieferung
  3. vernünftige Kommunikation, insbesondere Fairness bei Problemen

(Und dann gibt es natürlich noch ein paar Möglichkeiten, den Kunden positiv zu überraschen – diese Tricks verrate ich aber hier nicht. 😉 ) Interessanterweise sind die meisten Kunden schon happy, wenn die drei Punkte erfüllt sind. So selbstverständlich ist das nämlich nicht.
Jetzt könnt Ihr selber mal überlegen, in welchen Punkten die Softwarebude versagt hat. Tut mir leid.

Es könnte so einfach sein: Ihr wollt zufriedene Kunden? Dann lasst sie wieder Könige sein.

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Foto: Clem Onojeghuo, Unsplash.com

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4 Kommentare

  1. Hallo Lydia,
    prinzipiell bin ich ja d’accord, allerdings gefällt mir „Der Kunde ist König“ nicht so ganz weil dann passiert das Ganze nimmer auf Augenhöhe.
    Natürlich sollten die Wünsche, Bedürfnisse des Kunden erfüllt werden jedoch IMHO mit gegenseitigem Respekt und Wertschätzung.
    König bedeutet aber eher eine Hierarchie – Kunde oben, Verkäufer, Dienstleister unten…
    Viele Grüße Dirk

    • Hallo Dirk,
      genau darum ging es mir: Wenn Augenhöhe (also Partnerschaft) auf weniger Respekt hinausläuft, ist mir eine Hierarchie mit Respekt lieber. Ich bin gern Königin als Kundin 🙂 und versuche, auch meinen eigenen Kunden dieses Gefühl zu geben. In dem konkreten Fall mit der Software hatte ich den Eindruck, eine (einseitig beschlossene) Partnerschaft wurde als Ausrede für schlechten Service benutzt. Nach dem Motto: „Wir sind doch Kumpels, ey!“
      Schönen Gruß
      Lydia

      • Hallo Lydia,
        Da sind wir uns einig, schlechter Service kann nicht mit Partnerschaft argumentiert werden!
        Erlebte Wertschätzung und Respekt ist für Kunden immer toll, nehme ich mich selbst auch nicht aus! Möchte mich allerdings nicht als König fühlen, da der Gegenüber auch immer Mensch ist.
        Daher der Kommentar :
        Beste Grüße Dirk

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