Wer Psychologie studiert, kommt an Statistik nicht vorbei. Bekanntlich hat mich ja schon mein erstes Statistik-Seminar nachhaltig verstört. Aber danach kam noch ein zweites – der Legende nach sollte es sogar einfacher sein als das erste. Als ich die Studienbriefe aufschlug, traf mich schier der Schlag: seitenweise Formeln, kaum Erklärungen.
Das Ganze war mal wieder von einem Mathematiker geschrieben, dem offensichtlich seine Leserschaft (darunter viele middle-aged women wie ich, deren Abi 30 Jahre her ist und die sich nicht mal mehr erinnern können, was ein verdammter |Betrag| ist) pupsegal ist. Da ich ja selber Verständlichkeit unterrichte, macht mich das immer total fuchsig, wenn jemand es einfach nicht nötig hat, auf seine Zielgruppe einzugehen.
Mich erfasste eine elende Hoffnungslosigkeit angesichts des Horrors, der mir bevorstand. Das erste Statistikseminar hatte ich nur mit einem Riesenaufwand geschafft – der übrigens in keinem Verhältnis zu anderen Fächern stand, für die ich mich wirklich interessiere. Ich war kurz davor, das Studium endgültig hinzuschmeißen.
Wozu der Scheiß?, fragte ich mich. Es ging mir schon beim ersten Seminar so schlecht. Ich hatte wochenlang eine üble Laune und textete alle damit zu, wie ätzend Statistik ist. Nach der Prüfung ging es mir auch körperlich miserabel, weil ich mich so verausgabt hatte. Das wollte ich auf keinen Fall noch mal erleben.
Andererseits hatte ich schon so viel Zeit und Geld in das Studium gesteckt … Halbherzig begann ich zu lernen und googlete irgendeinen statistischen Fachbegriff, denn nur dank Google, Wikipedia und YouTube blickte ich überhaupt ansatzweise durch.
Und plötzlich landete ich auf einer Website mit dem treffenden Titel „Statistik für Psychologie“ von Melanie Paul. Melanies Kurs war genau das, was ich gesucht hatte. Wenn es ihn nicht schon gäbe, müsste man ihn unbedingt erfinden. Lange Rede, kurzer Sinn, ich habe (zusätzlich zu den Studiengebühren) ihren Onlinekurs für Inferenzstatistik gebucht. Und fortan begrüßte mich jeden Abend dieses freundliche Gesicht – und erklärte mir in verständlichem Deutsch alles, was ich für die Prüfung (und vor allem für die spätere Anwendung) wissen musste.
Zum ersten Mal sah ich Licht. Ich hatte eine Lehrerin gefunden, die meine Sprache spricht. Hallelujah! 🙂 Ich würde sogar behaupten, dass ich Spaß hatte, weil ich plötzlich was kapierte. Ich schaffte die Prüfung, diesmal sogar mit einer 2. Danach wollte ich unbedingt mit Melanie sprechen – einfach, weil sie in ihrem Kurs alles anders machte, als die Profs an der Uni. In meinen Augen goldrichtig.
Melanie, warum bietest Du einen Statistik-Onlinekurs an? Es gibt ja viele Seiten mit Texten oder einzelne Videos auf YouTube, aber so ein kompletter Kurs ist eher selten.
Ich selbst bin das gewöhnt, kenne das aus den USA. Dort ist das etwas völlig Normales. Hier können viele gar nichts damit anfangen. Dabei sind Onlinekurse so praktisch. Man kann zeit- und ortsunabhängig lernen, zwischendurch stoppen, zurückgehen, sich die Videos wieder und wieder anschauen, auch um 3 Uhr morgens, in der Hängematte auf den Malediven oder in Nowosibirsk. Meine Studierenden sind nicht davon abhängig, wann ich Zeit habe.
Und auch meine eigene Erfahrung spielt da rein. Es gibt in der Hochschullehre diesen Trend zu bewegten Bildern. Da heißt es: Iiiiiiiiiih, ein Buch! Die Studierenden wollen nicht mehr so viel selbermachen, sie wollen den Stoff nicht nur vorgekaut, sondern intravenös bekommen. YouTube ist für viele das Go-To-Medium.
Haha, ja, das kenne ich von mir auch. Man hat die Hoffnung, dass man ein paar Videos schaut und das Wissen so in einen reindiffundiert …
Die Statistik-Lehrbücher sind ja auch ziemlich abstrakt. Von Bortz oder Eid-Gollwitzer hatte ich selbst Albträume, das sind heftige Bücher. Ich habe meinen Kurs strategisch aufgebaut. Als Dozentin habe ich mittlerweile seit über neun Jahren die Information aus erster Hand bekommen, womit die Studierenden zu kämpfen haben, welche Sprache sie verstehen. Ich kenne ihre Nöte, Wünsche und Bedürfnisse.
Interessant, dass du selbst sagst, dein Stil ist US-amerikanisch. Ich hatte auch das Gefühl. Du bist sehr locker, baust Humor ein, bringst lustige Beispiele. Das ist gerade bei so einem trockenen Thema Gold wert. Hast du das absichtlich gemacht?
Seit 20 Jahren unterrichte ich die verschiedensten Dinge, ich habe das immer so gemacht. Ich gestalte meinen Unterricht mit viel Humor. An den Unis haben viele Leute den Kaktus im Rektum, gerade in der Statistik. Mir ist es rätselhaft, warum man ein Fach, das an sich schon staubtrocken ist, auch noch so rüberbringt.
Da der Kurs für mich sehr gut funktioniert hat, habe ich mich gefragt, ob du als Psychologin lernpsychologische Erkenntnisse eingesetzt hast? Das entsetzt mich nämlich auch ganz schön, dass gerade im Fach Psychologie oft so wenig Wert darauf gelegt wird, WIE Lernen funktioniert.
Am Anfang habe ich mal damit beschäftigt – mittlerweile mache ich das intuitiv. Man merkt, was klappt und was nicht. Im Vorfeld habe ich selbst einen Onlinekurs besucht, wie man Onlinekurse macht. Was mir wichtig ist: Die Studierenden leiden extremst unter Statistik, die schlafen nicht, manche entwickeln Angststörungen, gehen zur Psychotherapie. Ich erlebe das selbst bei mir in der Nachhilfe, dass Leute vorher nicht schlafen konnten. Dann sag ich: „Hey, ich bin’s doch bloß!“
Es gibt die Tendenz, dass es immer schlimmer wird mit der Statistik. Das Level wird so hochgepusht, ich frage mich: Wo soll das noch hingehen? Wann ist‘s mal gut? Im Bachelor fragen mich Leute Sachen, von denen selbst ich noch nie gehört habe. Dafür fehlen dann Methoden, die sie tatsächlich brauchen werden. Das Fach Statistik wird auch bewusst genutzt, um auszusieben, das ist ein verkappter NC. Die Profs haben teilweise eine Durchfallquote von 30 bis 60 Prozent bei ihren Prüfungen.
Wenn ich höre, was die Studierenden machen sollen, das ist abstrus. Sie sollen häufig nur Formeln rechnen, ohne jegliche Interpretation oder Anwendung. Sie wissen oft gar nicht, wofür etwas da ist. Deshalb ist es mir so wichtig, die Welt der Statistik zu erklären, die Struktur und die Zusammenhänge, damit man weiß: Wo bin ich überhaupt? Die meisten sind total lost: „Standardfehler – was war das noch mal?“
Ja, ich kenne das. Da ist nur noch so ein Brei im Kopf. Deine Landkarte der Statistik fand ich extrem hilfreich, dass du immer wieder Orientierung bietest.
Wichtig ist doch: Wie interpretiere ich etwas? Statistik kann potenziell Spaß machen, wenn man den Bezug herstellt zwischen dem Ergebnis, also den Zahlen, und dem, was das für die Menschen bedeutet – ihrem Erleben und Verhalten.
Studien zeigen ja auch, dass die Beziehung zwischen Lehrkraft und Studierenden sehr wichtig ist. Wie du uns Studis immer wieder Hoffnung gemacht hast, dein Optimismus, dass wir die Prüfung schaffen können – das hat mir unheimlich geholfen.
Das ist ein ganz wesentlicher Teil von dem, was ich tue, dass ich die Studierenden empowere, sie aufbaue. Ich helfe ihnen, wieder Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu gewinnen, ihre Mathe-Traumata zu überwinden. Statistik sieht ja sehr nach Mathe aus, hat aber gar nicht so viel damit zu tun. Ich selbst habe Abi ’92 gemacht, in der 11. Klasse habe ich Mathe abgewählt. Als ich anfing mit dem Psychologiestudium, hatte ich selbst Angst vor Statistik. Danach dachte ich, wenn ich das schaffe ohne Mathekenntnisse, schaffen andere das auch.
Es wird ziemlich klar, dass dein Kurs sich vor allem an Studentinnen richtet. Da ist sehr viel Pink auf deiner Seite. 🙂 Musste das sein?
Das ist Absicht, ja. Ich habe vorher meine Recherche gemacht für den Businessplan: 75 Prozent der Psychologiestudierenden sind Frauen. Mein idealer Kunden-Avatar ist eine Frau. Oft eine, die nebenberuflich studiert, Kinder hat oder ein Hausschwein. Sie möchte keine höheren Weihen der Statistik erreichen – sie will die Prüfung schaffen. Ich nehme auch Männer natürlich, aber 80 Prozent meiner Studierenden sind Frauen.
Es ist übrigens nicht so, dass ich Statistik so gern mag. Ich brenne nicht dafür – ich unterrichte gern, das ist meine Leidenschaft. Dadurch habe ich eine innere Distanz zum Fach, bringe auch mal sarkastische Sprüche. Das finde ich ganz gesund. Was nicht heißt, dass ich nicht auch manchmal die Schönheit einer Formel bewundern kann …
Was die Farbe angeht: Eigentlich bin ich gar kein Pink-Typ, trage eher Schwarz. Aber Grau ist die Farbe der Statistik, man verbindet schlechte Laune damit. Da setze ich einen Gegenpol: Pink.
Zur Person: Melanie Paul
Disclaimer: Ursprünglich wollte ich mit diesem Artikel nur meiner Begeisterung Luft machen und eine hervorragende Idee unterstützen. Etwa ein halbes Jahr nach Veröffentlichung hat mir Melanie einen Affiliate-Link angeboten. D. h., wenn Ihr über einen Link auf dieser Seite einen Kurs bucht, bekomme ich eine Provision. Damit helft Ihr mir, dieses Blog weiter zu betreiben. Und Ihr erhöht Eure Chancen, die Statistik-Prüfung zu schaffen, SIGNIFIKANT. 😉
Header-Foto: Tim Mossholder auf Unsplash
Spricht mir irgendwie aus der Seele. Ich habe mal Sozialwissenschaften studiert. Statistik ist da das A und O. Ich habe das Studium nie abgeschlossen. Statistik funktioniert bei mir erst, wenn ich einen praktischen Nutzen, sprich Beispiele habe. Das war erst bei Six Sigma der Fall, leider nicht auf der Uni…