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Eine Frage der Ehre

Heute habe ich einen neuen Geschirrspüler bekommen. Das ist fantastisch, denn obwohl mir klar ist, dass wir alle in der Pandemie ganz andere Sorgen haben: Zwei Wochen ohne Geschirrspüler sind hart! Man glaubt gar nicht, was eine Frau und ein Kater so für Abwasch produzieren … 😀 Das neue Gerät ist besser als das alte, war günstig, wurde in schlappen drei Tagen geliefert, also alles tippitoppi – wenn da nicht die Handwerker wären.

Die schleppten das Ding hoch, bauten es ein und am Ende kam ich dazu (hatte ja Abstand gehalten), um mir ihr Werk anzusehen und oh – beim Auf- und Zumachen hakte die Klappe. Sie schubberte an einem benachbarten Blech entlang und ging nur mit Kraft zu. Das ist doof, denn erstens habe ich keine Kraft, oder ich will sie nicht an den Geschirrspüler verschwenden. Und zweitens hat der Geschirrspüler eine Active-Dry-Funktion, d. h. die Klappe soll automatisch aufspringen zwecks Lufttrocknen. Aber das geht natürlich nicht, wenn sie an der Ecke hängen bleibt.

Icke so: „Na, das kann ja wohl nicht so bleiben.“ Der Pressesprecher von den beiden (es gibt immer einen Pressesprecher): „Da könn‘ wa nüscht machen.“

Diesen Satz hatte ich schon mal gehört, nämlich als ich mal vor Jahren eine Freundin mit einer Nagelbettentzündung in die Notaufnahme gebracht habe. Ja, man kommt sich doof vor, weil es doch nur der kleine Finger ist, der sich bei der Maniküre entzündet hat. Aber noch doofer ist, wenn dieser Finger langsam, aber sicher dunkelrot-schwarz anläuft und immer dicker wird. Blutvergiftung, ick hör dir trapsen!

Jedenfalls saßen wir in der Notaufnahme, icke als Begleitperson spürte die Verantwortung auf mir lasten und kam mir gleichzeitig lächerlich vor, von wegen kleiner Finger. Ich nervte die Frau an der Anmeldung, wie es die Pflicht einer Begleitperson ist, bis wir endlich drankamen.

Eine Krankenschwester schaute sich den wurstartig angeschwollenen Finger an und sagte trocken: „Ick gloob, da könn‘ wa nüscht machen.“ Mit etwas Humor hätte man ja antworten können „Können wir den Sarg gleich hier bestellen?“, aber in so einer Situation ist einem natürlich nicht danach. Die hatten gerade keine Chirurg:in parat und schickten uns einfach weg.

Wir sollten zu einem niedergelassenen Chirurgen. Den trafen wir an, als er gerade seine Praxis abschloss. Und da das hier Berlin ist, schloss er sie auch nicht wieder auf, sondern empfahl uns mit einem flüchtigen Blick auf den Ballonfinger, am nächsten Tag wiederzukommen. Tja, Feierabend geht vor, da konnte er wohl nüscht machen. Eid des Hippokrates hin oder her. Die Geschichte ist gut ausgegangen, der Finger wurde operiert und gerettet. Hängen blieb der Satz der Krankenschwester, ein running gag.

Bis mir der Gag dank des Handwerkers im echten Leben wiederbegegnete. Während er fachmännisch *ähem* die Klappe auf- und zuklappte (wohl um mir vorzuführen, wie scheiße er gearbeitet hatte), verließ ich meinen Körper und betrachtete die Situation von außen:

Würden die beiden Kerle es fertigbringen, eine middle aged woman und ihre Katze mit einem schlecht eingebauten Geschirrspüler einfach sitzenzulassen? Ich wies auf „Active Dry“ hin, aber er zuckte nur mit den Schultern. Notfalls könne ich ja später noch mal beim Verkäufer nachfragen. Aha, dachte ich, und was sollen die nächsten beiden Handwerker ausrichten? Da kann man doch nüscht machen?!

Echt praktisch, dieser Satz. Vielleicht sollte ich mir den schützen lassen. Und dann für ein Heidengeld an die Handwerkskammer verkaufen als Werbeslogan:

DAS HANDWERK. Da könn‘ wa nüscht machen.

Die Vermarktungsmöglichkeiten sind unendlich.

IHRE NOTAUFNAHME. Da könn‘ wa leider nüscht machen.

POLIZEIRUF 110. Erst ma kieken, ob wa überhaupt wat machen könn‘.

Vielleicht wär das auch was für die Feuerwehr? Wobei, ich hab mal eine Reportage über die Feuerwehr gesehen und da hieß es: „Wir sind die letzte Instanz. Wir gehen erst, wenn das Problem gelöst ist.“ Jaaaa, so stelle ich mir das ja auch bei den Handwerkern vor, ich Naivling. Ich dachte immer, die haben so ne Handwerkerehre, die es ihnen nicht erlaubt, einfach Pfusch zu hinterlassen und mit einem freundlichen „Erst mal ein schönes Wochenende!“ abzuziehen.

Als sie weg waren, habe ich mir einen Hammer geschnappt und in brutalstmöglicher „Was nicht passt, wird passend gemacht“-Manier das störende Blech weggedengelt oder wie das heißt. Nehmt das, Ihr ehrlosen Hunde!

Aktives Trocknen im Hause Krüger

Foto von Sahand Babali auf Unsplash

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9 Kommentare

  1. Ich kann mir nicht helfen, aber ich hätte gesagt: Könn ’se mir mal die Nummer von Ihrem Chef geben, bitte?
    Selbst ist die Frau ist ja schön und gut, aber mich persönlich macht es rasend, wenn jemand vom Fach Pfuscharbeit abliefern will. Und es ist verdammt nochmal SEIN Job, nicht meiner.
    Just my five cents – aber sehr neugierige: Weißt du, warum du da nicht mehr Druck aufgebaut hast?
    Lieben Gruß.

    • Keine Kraft. 🙁 Und auch wenig Zutrauen, dass die nächsten es besser können. Ich glaub, das sind keine richtigen Handwerker, sondern Möbelpacker mit Wochenendkurs. So kamen sie mir jedenfalls vor. 😛

  2. Verstehe. Nicht-vom-Fach-sein kann man wirklich besser selbst. Meistens jedenfalls. 😉

  3. By the way: Für welche Maschine hast du dich entschieden, und wo hast du sie gekauft? Magst du mir das sagen? (Ich bin immer froh, wenn ich Empfehlungen habe für Dinge, die auf meiner langfristigen Anschaffungliste stehen.)

  4. Hach Lydia,
    es ist immer wieder herrlich Deinen Geschichten, die das Leben schrieb, zu folgen. Wie oft sitze ich heftig nickend vor Deinen Newslettern. 🙂

    Heute musste ich aber tatsächlich ganz besonders Schmunzeln, denn der Aufhänger war einfach zu passend. Ich bin seit Monaten am ununterbrochenen Jammern, weil mir das heutzutage offensichtlich zum Normalzustand gewordene Handwerker-Betteln einfach nur noch aus dem Hals heraus hängt. Egal, ob Dachdecker, Sanitärinstallateur, Elektriker oder Rollladenbauer. Überall rufe ich als mit einem Auftrag drohender Kunde an und erwarte in meiner grenzenlosen Naivität doch glatt, dass sich dann jemand um mein Anliegen kümmert. Aber weit gefehlt. Es erfordert noch einen Anruf. Und noch eine Erinnerung. Und noch einen Anruf. Bis sich vielleicht überhaupt mal jemand bequemt, sich die anstehende Arbeit auch nur anzusehen. Meistens bekommt man dann ein Angebot mit einem Mondpreis. Und selbst wenn man den zähneknirschend akzeptiert und den Auftrag erteilt, geht in der Regel nur das Hinterherbetteln in die nächste Runde. In vielen Fällen habe ich mir an Ende schon überlegt, dass ich zusammengerechnet mehr Zeit mit Hinterhertelefonieren und Betteln verbracht habe, als die eigentliche Reparaturzeit ausgemacht hat.

    Aber das Problem beschränkt sich nicht nur auf das Handwerk. Mit einer Bekannten unterhielt ich mich die Tage über einen Nachbarschaftsstreit und ihre Enttäuschung über das desinteressierte Vorgehen des beauftragten Rechtsanwaltes. Klar, ein Anwalt hat schon aus rein wirtschaftlichen Bedürfnissen heraus kein Interesse daran, dass ein Streitfall schnell beigelegt wird. Aber wenn sich ein Rechtstreit über Monate und Jahre hinaus zieht, insbesondere weil der Anwalt offensichtlich immer nur nach mehrfachem Anschubsen mal einen halbgaren Schriftsatz rausschickt, ist das schon zum Verzweifeln. Mir kam in der Unterhaltung ein alter Filmklassiker in den Sinn. Tja, und dann lese ich heute genau diesen Filmtitel als Überschrift Deines neuen Blogeintrags. 🙂

    Einen solchen Zufall muss ich dann doch aufgreifen und heute Deinen Text nicht nur mit einem Nicken quittieren, sondern hier auch einen kleinen Kommentar hinterlassen. Es ist immer wieder herrlich, von Dir zu lesen!

    Einen lieben Gruß aus dem südhessischen Ried
    Clark

    • Danke, Clark! Heute erst gelesen: Es fehlen 65.000 Handwerker:innen. Es wird also nicht besser …

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