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Die Kündigung: Bye, toxischer Job!

Viele träumen lange davon, ihren Job hinzuschmeißen – aber wenn es dann so weit ist, tut es doch weh. „Diese  Kündigung fühlt sich an, als wenn man eine Beziehung beendet“, meinte eine Freundin schniefend. Sie wischte sich ein paar Tränen aus den Augen und fügte mit etwas festerer Stimme hinzu: „Eine toxische Beziehung.“

Nun habe ich selber schon ein paar Jobs gekündigt. Manchmal fiel es mir leicht – wie bei dem Münchner Fernsehsender, wo ich wohl Geschichte geschrieben habe, weil ich den „Traumjob“ in der „Traumredaktion“ total ätzend fand und am Ende der Probezeit kündigte.

Manchmal war es schwieriger, gerade in kleinen Unternehmen, die etwas familiärer sind. Jetzt, wo ich das Kündigungsdrama 🙂 der Freundin live miterlebte, erinnerte ich mich an das Gefühlschaos, das ich damals erlebte: Angst vor der Reaktion der Chefs, ein schlechtes Gewissen, das Gefühl, das Team im Stich zu lassen, aber auch Wut. Denn schließlich hatte ich immer gute Gründe, das Unternehmen zu verlassen.

Im Nachhinein finde ich es lustig, dass damals alles so me-ga-dra-ma-tisch war – und jetzt kann ich mich mit Mühe an irgendwas erinnern. Nicht mal an einige Namen, dabei bin ich eigentlich gut mit Namen.

Es ist doch so: Kaum ist man raus aus dem Laden, lässt man den ganzen Bullshit hinter sich.

Plötzlich sind all die kleinen und großen Dramen unwichtig geworden. Im Nachhinein habe ich es jedesmal als Befreiungsschlag erlebt, wenn ich irgendwo gegangen bin. Im Gegenteil, ich hab mich immer gefragt, warum ich nicht schon viel früher abgehauen bin. 😀

Das scheint vielen so zu gehen, wie diese fantastische  Sammlung von Kündigungserfahrungen in der ZEIT zeigt. Kaum jemand hat es bereut. Falls Ihr Euch also gerade mit dem Gedanken tragt zu kündigen, lege ich Euch diesen Artikel wärmstens ans Herz.

Eigentlich handelt ja mein ganzes Buch™ (jaja) davon, wie man sich aus einer toxischen Beziehung mit einem Unternehmen befreit. Wieso toxisch? Der US-amerikanische Organisationspsychologe (!) schreibt dazu auf Twitter:

Übersetzung:
In toxischen Beziehungen muss man sich zwischen Ehrlichkeit und Loyalität entscheiden. Man beißt sich auf die Zunge, um das andere Ego zu schützen.

In gesunden Beziehungen ist Ehrlichkeit ein Ausdruck von Loyalität. Du sagst deine Meinung, um jemandem beim Wachsen zu helfen.

Wenn echtes Vertrauen und Respekt da sind, bedeutet Offenheit Fürsorge.

Nicht die Wahrheit sagen dürfen

Dieses Sich-auf-die-Zunge-beißen, um das (meist männliche) Ego zu schützen, ist ja für die meisten Frauen im Job daily business. Leider. Ich erlebe es auch immer noch bei mir selbst, obwohl ich es besser weiß. Es ist halt von klein auf in mich reingeprügelt worden. Man darf den Papa nicht kritisieren, weil Papa sonst ausrastet. Papa ist unberechenbar. Und er ist körperlich überlegen – also brauche ich gar nicht erst versuchen, mich zu wehren. Ich will jetzt hier nicht psychoanalytisch werden (Gott bewahre!), aber irgendwelche Kindheitsmuster kommen da durch.

Auch die Freundin berichtet, dass es im Grunde ihre wichtigste Aufgabe war, die Egos ihres Chefs zu pampern. Sie beherrscht das Spiel meisterhaft: „Ich sag dann immer: ,Das hast du wieder ganz toll gemacht, Jens-Uwe! Wie kriegst du das nur immer so hin?‘ und er liebt es.“ Irgendwie auch lustig, wie simpel das ist.

Aber auf einer anderen Ebene total unlustig. Wer darauf steht, von Untergebenen vollgeschleimt zu werden, hat ein Problem. So jemand ist extrem leicht zu beeinflussen. Und für die Schleimerin bedeutet es, jegliche Kritik oder auch nur eigene Meinung herunterzuschlucken – im Ernstfall bis Magen oder Speiseröhre rebellieren.

Ich selbst kenne das Gefühl, im Job durch ein Minenfeld an Fettnäpfchen (Metapher aus der Hölle 😛 ) zu stolpern. Es gab so viele Tabus, an denen man nicht mal kratzen durfte. Das betraf sowohl das Fachliche als auch die Organisation an sich. Ich musste mir doppelt auf die Zunge beißen – intern und extern.

Gaslighting

Gaslighting ist eine Form von Psychoterror, die man sowohl in toxischen Beziehungen als auch in Unternehmen findet. Sie besteht darin, dass jemandem die eigenen Wahrnehmungen und Gefühle abgesprochen werden. Auch dies betrifft wieder vorrangig Frauen, da sie ja eh gern als „zu emotional“ abgestempelt werden. Ihre Emotionen werden weniger zur Kenntnis genommen und weniger ernstgenommen.

(Je länger ich über Arbeit schreibe, desto mehr wird mir klar, dass meine Erfahrungen in der Arbeitswelt in hohem Maße damit zu tun haben, dass ich eine Frau bin. Ich reite also nicht absichtlich darauf herum, sondern ich lande immer wieder zwangsläufig an diesem Punkt. Was nicht bedeutet, dass Männer nicht ähnliche Erfahrungen machen können, aber Frauen landen fast automatisch dort.)

Bei mir war es so, dass mir in meiner HORG immer suggeriert wurde, ich läge falsch mit meinen Vorstellungen und Werten. Ich sei die Geisterfahrerin und nicht die anderen. Das war wirklich hanebüchen, da ich sehr gut ausgebildet war. Und wenn ich dann darauf hinwies, dass etwas falsch lief, hat man mir durch die Blume zu verstehen gegeben, ich sei das Problem.

Grenzen überschreiten

Heutzutage ist es leicht, im Job Grenzen zu überschreiten – allein schon durch die ständige Erreichbarkeit. Es reicht eine WhatsApp, die einem im Urlaub an den Strand geschickt wird: „Wo ist Dokument xy?“ Das kann eine ganze Lawine auslösen, ein schlechtes Gewissen, Angst, einen Fehler gemacht zu haben, Angst um den Job.

Bei mir wurden Grenzen selten überschritten. Einmal schrie ein Chef mich an – wegen einer Kleinigkeit. Das war am Telefon, aber er merkte an meinem eisigen Schweigen, dass er sich das wohl kein zweites Mal erlauben durfte. Später sprach ich mit einer Kollegin darüber. „Ach“, meinte sie, „mich schreit der ständig an.“ Tja, mich nicht!

Grenzüberschreitungen können sexueller Natur sein, siehe Ex-Bild-Chef Julian Reichelt. Oder fachlicher, also dass einem ständig im eigenen Revier herumgepfuscht wird. Gerade wenn ein Unternehmen einen auf big family macht, verwischen die Grenzen zwischen beruflich und privat. Ganz große Arschlöcher nutzen dann das, was man privat erzählt hat, beruflich gegen einen aus.

Kleinmachen

Im Fall der Freundin war die Beziehung zum Arbeitgeber toxisch, weil er ihr immer wieder das Gefühl gegeben hat, ihre Arbeit sei doch nicht so wichtig. Als unterstützende Funktion bringe sie halt kein Geld rein. Außerdem sei sie eigentlich zu teuer. Ihr könnt Euch vorstellen, was das auf Dauer mit dem Selbstbewusstsein macht.

Die Freundin reagierte darauf mit übersteigertem Ehrgeiz, schob Überstunden, hatte ständig das Gefühl, beweisen zu müssen, dass sie ihr Gehalt zurecht bekam. Gleichzeitig fühlte sie sich als sehr selbstständiger Mensch durch das ständige Misstrauen und die Kontrolle ihrer Chefs unter Druck gesetzt.

Nun ist ein Job ja selten ausschließlich doof oder das Unternehmen kann seine Makel gekonnt mit Zuckerguß überziehen, sonst würde man es ja dort nicht so lange aushalten. Tatsächlich hatten die Chefs auch gute Seiten, waren verständnisvoll und nahmen sich in Krisen viel Zeit. Deshalb fiel es der Freundin so schwer zu gehen.

Wie es ausging? Man könnte vermuten, dass die Chefs beleidigt oder aggressiv reagierten und die Kündigung persönlich nahmen. Das kommt vor. Es war eine reale Angst der Freundin, denn gerade in kleinen Branchen können Chefs den Ruf von jemandem schnell ruinieren, einfach aus Gekränktheit. Aber nein. In diesem Fall versuchten die Chefs sogar, um die „ach so unwichtige“ Mitarbeiterin zu kämpfen – zu spät. Sie hatte schon einen neuen Vertrag unterschrieben, bei einem Unternehmen, das heilfroh war, sie einzustellen.

Es ist nämlich so: Der Arbeitsmarkt sieht so gut aus wie lange nicht. (Ich weiß das, weil ich mich beruflich mit Arbeitsmarktdaten beschäftige.) Es gibt massenweise offene Stellen – viel mehr als vor Corona.

In den USA rollt seit Monaten eine riesige Kündigungswelle – the Big Quit oder the Great Resignation. Die Leute waren coronabedingt lange zu Hause, hatten endlich mal Zeit, sich Gedanken zu machen, ob sie eigentlich glücklich sind mit ihrem Job. Gerade in Niedriglohnjobs werfen viele Amis das Handtuch und suchen sich etwas Besseres: Und mit „viele“ meine ich 4,5 Mio. allein im November letzten Jahres, im Oktober waren es 4,2 Mio.

Ähnliches erwarte ich für Deutschland – nicht. Denn die Deutschen klammern sich an ihren egal wie toxischen Jobs fest. Ob sie hemmungslos ausgebeutet werden, seit 20 Jahren keine Gehaltserhöhung bekommen haben oder gar Mobbing erleben – egal, Hauptsache Arbeit!

Oder wie der Mensch, der einen toxischen Job bei Amazon kündigte, es im Interview mit Büronymus ausdrückte: „Viele hatten Angst, sie haben gehorcht. Überwiegend die Ausländer haben sich beschwert.“ Tja, auch deshalb brauchen wir wohl mehr Diversity: um die Untertänigkeit der Deutschen aufzubrechen. 😛

Also, lange Rede, kurzer Sinn: Quält Euch nicht länger, Leute. Sucht Euch was Neues. Ich bin immer vorsichtig mit solchen Aufrufen, aber im Moment boomt der Arbeitsmarkt. Unternehmen müssen sich richtig was einfallen lassen, um überhaupt Leute zum Wechseln zu motivieren. Just do it.

UPDATE: Die Freundin, die sich damals nur unter Tränen von ihrem toxischen Job verabschieden konnte, ist sehr glücklich in ihrem neuen Job. Vieles von dem, was in ihrem alten Laden schief lief, ist ihr erst im Nachhinein, Monate oder gar ein Jahr später, klar geworden. Die Psychospielchen ihres einen Chefs vermisst sie ebensowenig wie das Micromanagement des anderen. Sie hat weniger (also angemessen) zu tun, ist kaum mal im Stress, hat ein nettes Team und verdient sogar mehr. Dies nur als kleiner Mutmacher für diejenigen, die noch zögern zu kündigen. Traut Euch!

P.S.: Damit unterscheidet sich meine Message von der vieler Karriereberater*innen, die gern dazu raten, doch noch bisschen zu bleiben und zu gucken, ob man dem Job noch was Gutes abgewinnen kann. Oder ob die fiese Chef*in nicht eigentlich doch ganz in Ordnung ist. Ähm, nö! Selbstfürsorge geht vor. Seht zu, dass Ihr möglichst bald aus einem toxischen Job rauskommt. Es gibt ein schönes Leben da draußen, holt es Euch! 😉

Photo by Külli Kittus on Unsplash

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Ein Kommentar

  1. Ich muss gestehen, dass ich in meinem Leben noch gar nicht so viele Jobs gekündigt habe. Denn ich bin entweder lange in den jeweiligen Unternehmen geblieben oder war wegen der Kinder zu Hause.
    Schade, dass ich inzwischen selbstständig bin. Denn jede Kündigung hat gut getan – auch wenn sie manchmal schmerzte. Aber ich kann mir schlecht selbst den Rücken zudrehen und kündigen.
    LG
    Sabiene

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