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ABC des Missmanagements: M wie Mikromanagement

„Er kannte jede Schraube in jedem Auto.“ So oder so ähnlich wurde Ex-VW-Vorstand Martin Winterkorn gern in der Presse charakterisiert. Dabei schwang immer ein bewundernder Unterton mit. Nach dem Motto: Der Typ hat den totalen Durchblick. Ich habe mich das früher schon gefragt – und jetzt noch mehr: Muss einer der wichtigsten Manager Deutschlands wirklich Schrauben zählen? Sollte er nicht vielmehr den ÜBERblick haben, sich um das große Ganze kümmern?

Gesellschaftliche Trends im Auge behalten? Eine Strategie finden, was man dem absehbaren Ende des Nahverkehrs, wie wir ihn heute kennen, entgegenzusetzen hat? Ich weiß nicht, ob Martin Winterkorn wirklich Mikromanagement betrieben hat und will das auch niemandem unterstellen. Aber da dieser detailverliebte Managementstil gerade in unserer deutschen Ingenieurskultur so weit verbreitet ist und so viel Schaden anrichtet, hier ein paar Gedanken dazu:

ABC Mikromgmt„Muss man denn alles selber machen?“ „Bin ich hier nur von Vollpfosten umgeben?“ „Wenn man nicht alles kontrolliert …“ Durch solche Sätze outet sich der Mikromanager. Arbeitsteilung ist ihm ein Graus. Denn nur er (oder auch sie, Ihr wisst schon) hat den absoluten Schnall. Sonst wäre er ja nicht Manager. Huch, da habe ich einen schönen Zirkelschluss entdeckt: „Ich bin toll, denn wenn ich nicht toll wäre, wäre ich ja nicht da, wo ich jetzt bin.“ Was zu beweisen war. 😀

Der Mikromanager delegiert ungern. Aber wenn er es tut, investiert er viel Zeit und Kraft, um jeden Arbeitsschritt seiner Untergebenen zu beobachten und zu kontrollieren. (Ein Führungsstil, für den ich selbst viel zu faul bin.)

Trifft ein Mitarbeiter eigene Entscheidungen, so ist der Mikromanager ungehalten – auch, wenn diese Entscheidungen sehr wohl im Kompetenzbereich des Mitarbeiters lagen. Deshalb sind seine Leute vor allem damit beschäftigt, ihre Entscheidungen vorher abzusichern. (Mikromanager: „Bitte setzen Sie mich immer cc.“) Oder im Nachhinein zu rechtfertigen, z. B. in den ständig von oben angeforderten Berichten (Stichwort „Reportitis“).

Der Mikromanager besteht nicht nur darauf, über ALLES informiert zu sein. Er will auch über das kleinste Detail selbst entscheiden. Gern besorgt er sich alle Informationen zu einem Thema und arbeitet sich tief in die Details ein. Und entscheidet dann selbst.

Aber Moment mal! Macht er damit nicht seine Mitarbeiter überflüssig? Beraubt er sie nicht ihrer Funktion, ja ihrer Existenzberechtigung? Ganz genau. Und die spüren das natürlich und fühlen sich gedemütigt. Dahinter steckt ja auch eine gewisse Überheblichkeit des Chefs: „Du hast das vielleicht jahrelang studiert, lieber Mitarbeiter, aber ich arbeite mich da am Wochenende mal ein und siehe da, jetzt kann ich auch noch deinen Job!“

Das verunsichert natürlich und lässt selbst den fähigsten Mitarbeiter irgendwann an sich zweifeln. Nicht nur Selbstbewusstsein und Motivation, sondern auch seine (eigentlich ja vorhandenen) Fähigkeiten gehen den Bach runter. „Alles Versager außer mir!“  – dieser Glaubenssatz des Mikromanagers wird so zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Mikromanagement ist natürlich extrem ineffektiv, denn der Mikromanager wird zum Nadelöhr für sämtliche Entscheidungen. („Alles geht über meinen Tisch!“) Diese Ineffizienz nimmt er in Kauf, wenn er dafür seine Kontrollwut ausleben kann. Das frustriert die Mitarbeiter enorm und kann schlimmstenfalls zu Sabotage führen. Es macht sie seelisch und/oder körperlich krank und treibt insbesondere hochqualifizierte Mitarbeiter in die Kündigung. (Die Grenze zwischen starker Kontrolle und Mobbing ist übrigens fließend.)

Und wie geht es dabei dem Mikromanager selbst? Er hat häufig ein positives Selbstbild („strukturiert“, „akribisch“, „perfektionistisch“) oder bekommt diese Eigenschaften sogar als positiv von seiner Umwelt gespiegelt. Da wird es natürlich schwierig, die Problematik des eigenen Handelns zu erkennen. Hinter Mikromanagement steckt oft ein großes Misstrauen anderen Menschen gegenüber. Aber auch äußere Umstände wie hoher Druck und eine detailverliebte Unternehmenskultur begünstigen diesen Managementstil.

Müßig zu erwähnen, dass diese Arbeitsweise den Manager in den Burnout führen kann. Denn der Details gibt es unendlich viele – und wer die Arbeit all seiner Mitarbeiter mitmachen will, wird nie fertig …

Meiner Erfahrung nach ist Mikromanagement zudem eine beliebte Methode, sich durch die intensive Beschäftigung mit unwichtigen Details von schwierigen Entscheidungen abzulenken. Für die bleibt dann einfach keine Zeit. Stattdessen wird die Farbe der neuen Papierkörbe diskutiert – oder Schrauben gezählt. Das geht immer.

Photo by Ben Lodge on Unsplash

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5 Kommentare

  1. Wolfgang Gollub

    Stehender – und vielfältig zutreffender – Spruch bei der Bundeswehr vor 30 Jahren: „Wer keine Ahnung von Strategie hat, kümmert sich statt dessen um die Anzugsordnung“

  2. […] wie hart es ist, sein Baby so loszulassen. Weiter verbreitet ist der Typus Unternehmer, der Mikromanagement betreibt, weil er auch bei 200, 2.000 oder 20.000 Mitarbeitern noch die totale Kontrolle behalten […]

  3. […] Auf-sich-selbst-Vertrauen, das Selbstvertrauen eben, geht verloren. Im Mikromanagement kann man sich nicht entwickeln, alles muss mit #Chefin abgesprochen werden, man lebt ständig in […]

  4. […] Tisch, bevor er sie bezahlt (oder auch nicht bezahlt). Für mich sind Mikromanager Kontrollfreaks, die mit ihrem Misstrauen die Motivation und Kreativität ihrer Mitarbeiter zersetzen. Und die sich mit ihrer Arbeitsweise komplett überfordern. Viel Spaß dabei, auf diese Art ein […]

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