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Fruuust

Ich hatte ja schon diverse Frusterlebnisse erwähnt. Als Expertin für Unternehmenskultur kann ich rückblickend sagen, dass die meisten Frusterlebnisse daraus resultierten, dass ich nicht zur Unternehmenskultur passte oder umgekehrt. Ich habe dies sogar Schwarz auf Weiß, da ich in einem Unternehmen die Kultur wissenschaftlich untersucht habe.

(Die Ergebnisse haben niemanden interessiert. Ich korrigiere mich: Die Ergebnisse haben IN DER FÜHRUNG niemanden interessiert. Aus der Belegschaft wurde ich häufig darauf angesprochen. Es kam nämlich u. a. auch heraus, dass die Belegschaft sich ganz eindeutig eine andere Kultur wünscht – was ebenfalls niemanden interessierte.) Aber zur Unternehmenskultur später mehr.

Also, kurz gesagt: Ich wollte einbezogen und gefragt werden, mit den Oberhäuptlingen auf Augenhöhe sein, das Schicksal des Unternehmens mitgestalten. Und die Oberhäuptlinge wollten jemanden, der macht, was sie sagen. Also, eine Sekretärin. (Sorry, liebe Sekretärinnen – das ist nachgewiesenermaßen einer der Jobs mit der höchsten Weisungsgebundenheit, also unter Umständen ziemlich undankbar.) Die Oberhäuptlinge haben sich also irgendwann alle Mühe gegeben, mich klein zu halten. Und ich habe dichtgemacht.

Ein weiterer culture clash: Ich wollte Dinge auf kurzem Dienstweg klären, die anderen wollten, dass ich mich an Hierarchien halte. Also nicht den fragen, der mir die Frage beantworten kann, sondern den, der ganz oben drüber sitzt und die Frage dann weiterleitet an den, der für denjenigen zuständig ist, der sie beantworten kann. Der antwortet dann und leitet die Antwort an seinen Häuptling weiter, der sie dann seinen Häuptling weiterleitet, der sie an mich weiterleitet. (Ist natürlich extrem effektiv, vor allem, wenn man die Antwort schnell braucht. 😉 Naja, jedenfalls ist das nicht meine Arbeitsweise und als das jemand zum ersten Mal von mir verlangt hat, dachte ich, es wäre ein Scherz…)

Das Lustige war ja, dass diese lästige Hierarchie, die man ständig beachten sollte, im Ernstfall gar nicht funktionierte. Da gab es dann die renitente Mitarbeiterin, die sagte, sie wäre nicht zuständig oder hätte keinen Arbeitsauftrag und Punkt aus. Da stehste dann mit deinem Anliegen. Mit über 50 ist sie eine von den Unkündbaren und kann sich alles erlauben… Und natürlich von Eigenverantwortung keine Spur. Ist aber auch schwierig, von den Mitarbeitern Eigenverantwortung zu verlangen, wenn man ihnen die in jahrelanger Kleinarbeit sorgfältig ausgetrieben hat.

Ein weiterer Frustpunkt – und dann hör ich auch auf – war, dass ich gern Dinge kritisch hinterfragen (könnte ein Zeichen von Intelligenz sein?) und Probleme offen ansprechen wollte. Dafür wurde ich regelmäßig mit Phrasen abgebügelt und als dumm hingestellt („Sie haben mich nicht verstanden. Und noch mal: blablabla“).

Eine Kollegin aus der Leitungsebene hatte mal eine längere sorgenvolle Mail an die Chefetage geschrieben, als es dem Unternehmen (wie eigentlich immer) ziemlich schlecht ging. Mit ganz vielen Fragen, die aus ihrer Sicht überlebenswichtig waren. Die Antwort war kurz und ich würde sie sinngemäß so zusammenfassen: „Machen Sie sich keine Sorgen. Papa macht das schon.“ Auch hier wieder: Jemand bietet sein Know-how an, will sich einbringen: Nee, danke. Wir haben alles im Griff. Wie armselig ist das, wenn man als Oberhäuptling nicht den Schneid hat, seine hochbezahlten Unterhäuptlinge in strategische Entscheidungen einzubeziehen? Kann man in der heutigen hochkomplexen Welt noch einsame Entscheidungen treffen? Mann kann.

Foto von Arisa Chattasa auf Unsplash

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